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Dienstag, 8. Januar 2013
Drachenglut (6)
corona, 16:45h
In Gedanken versunken startet Alice ihren Laptop. Wie war das damals eigentlich genau weitergegangen? Die Chronologie würde sie vielleicht nicht mehr ganz korrekt abbilden können, aber ziemlich zu Anfang hatte sie sich und auch Damian gefragt, woher eigentlich diese Vertrautheit zwischen ihnen stammte. Sie war sich ganz sicher, dass ihre Begegnung kein Zufall war und sie hatte schon früh das Gefühl gehabt, Damian nicht zum ersten Mal zu treffen. Mit dieser Einschätzung stand sie nicht allein, auch Damian glaubte an eine Schiksalsbegegnung. Irgendwo zwischen Psychologiestudium und Hypnoseausbildung hatte Damian sich das nötige Wissen angeeignet, sogenannte Rückführungen durchzuführen. Alice war sich nicht sicher, ob diese im weitesten Sinne noch der Psychologie zuzuordnen waren oder doch schon Grenzbereichen angehörten, doch im Grunde war das auch ganz egal. Damian verband auf elegante Weise die manchmal fast nüchtern anmutenden akademischen Kenntnisse mit den verschlungenen Unerklärlichkeiten der Magie, und Alice hatte keinen Zweifel daran, dass es möglich war, sich in bereits erlebte Situationen aus dem jetzigen, aber eben auch aus vergangenen Leben zurückversetzen zu lassen. Da sie Damian in ihrem aktuellen Leben bisher nicht getroffen hatte, konnte diese Verbundenheit zwischen ihnen doch nur auf gemeinsame Erlebnisse aus frühreren Leben hindeuten, oder? Sie hatte von Damian gelernt, dass es es sogar recht häufig vorkam, dass Menschen sich über mehrere Leben begleiteten und eine karmische Bindung zueinander hatten. Diese Bindungen mussten nicht immer positiver Natur sein, im Gegenteil, manchmal galt es auch uralte Probleme und Verstrickungen aufzulösen, doch in ihrer beider Situation fühlte sich das Miteinander meist ziemlich harmonisch an.
Natürlich war Alices Neugierde sofort entflammt, sie hatte buchstäblich lichterloh gebrannt und wollte sofort alles darüber wissen, woher sie sich kannten, welcher Art ihre damalige Beziehung gewesen war und was genau sie zusammen erlebt hatten. Damian hätte nachsehen können. Er konnte auch sich selbst rückführen, doch er hatte das abgelehnt. Vielleicht wäre ihm irgendwann einmal danach, reinzusehen und herauszufinden woher sie sich kannten. Und noch vielleichter würde er es ihr dann erzählen. Vielleicht aber auch nicht. Ihr Gefühl, dass es sich um eine karmische Verbindung handele, reiche doch völlig aus, Details seien jetzt nicht erforderlich. Das durfte jawohl echt nicht wahr sein! Alice hätte in die Tastatur beißen können. Doch wieder einmal war ihr nichts anderes übrig geblieben als zu warten und sich das Drängeln zu verkneifen. Nicht umsonst gab es das geflügelte Wort "Wissen ist Macht" und in diesem Fall gab Alice Damians Macht nur zähneknirschend und mit Aufbietung großer Teile ihrer Selbstkontrolle nach. Fiel es ihr auch manchmal leicht, sich seiner Führung hinzugeben, seine Entscheidungen zu akzeptieren und genoss sie auch manchmal das loslassen Dürfen sehr, gab es immer wieder Situationen in denen sie den Spieß umgedreht hätte wenn sie nur gekonnt hätte. Alice muss lachen. Allein der Gedanke "den Spieß umzudrehen" war lächerlich. Eher würde die Hölle einfrieren. Trotzdem! Warum fand er es nicht genauso spannend wie sie, zu erfahren woher sie sich bereits kannten? Wieso zum Teufel wollte er nicht sofort nachsehen?
Natürlich hatte Alice sich letztlich gefügt und widerwillig abgewartet und so nach einigen Tagen erfahren, dass sie beide schon einmal ein Verhältnis zueinander gehabt hatten, welches vorerst im Verborgenen bleiben musste. Auch damals hatte Damian als Mann und Alice als Frau gelebt; vermutlich in der Zeit des ausklingenden Frühmittelalters irgendwo im Süden. Fast unglaublicherweise war Damian damals, der sich im jetzigen Leben von allen Religionen und Kirchen mehr als distanzierte, Abt gewesen. Alice war irgendwann in seinem Kloster aufgetaucht und geblieben. Die genauen Umstände blieben Damian zunächst verborgen, aber er hatte gesehen, dass sie beide so viel Zeit wie nur möglich miteinander verbracht hatten und ihr damaliges Liebesverhältnis letztlich scheinbar mehr oder weniger stillschweigend toleriert worden war. Sie hatten sogar gemeinsame Kinder gehabt.
Alice blickt vom Schreiben auf. Ein wenig verwundert erinnert sie sich, dass sie auch bei diesen etwas skurril anmutenden Informationen keinerlei Zweifel an deren Richtigkeit gehegt hatte. Alles floss einfach passend ineinander, fesselte sie unglaublich und hielt sie mit unbeschreiblicher Faszination gefangen. Alles in ihr, jede Faser, jeder Nerv verlangte unerbittlich danach, tiefer und immer tiefer einzutauchen und zu erfahren, zu erkennen, zu begreifen. Fast schaudert Alice bei dem Gedanken daran, wie sehr sie sich dem Einfluss dieser Kraft des Unerklärlichen hingibt und wie unerbittlich sie sich selber immer weiter peitscht ohne sich zwischendurch zu erlauben, zur Ruhe zu kommen. Leise seufzend schreibt sie weiter.
Irgendwann zu dieser Zeit hatte Damian auch damit begonnen, Alice Eingebungen zu machen. Er konnte nicht nur Informationen aus Alices Unterbewussten empfangen, sondern ihm auch welche zukommen lassen, ohne dabei körperlich anwesend sein zu müssen. Er begab sich gedanklich einfach in die Nähe Alices Unterbewusstseins und flüsterte ihr die Eingebungen in ihr mentales Ohr. Wie genau das Ganze von statten ging konnte Alice letztlich auch nicht erklären, sie merkte es meist nicht einmal. Die überzeugende Wirkung allerdings, ja, die hatte sie schon beim allerersten Test feststellen dürfen. Bevor Damian ihr die erste Eingebung gemacht hatte, welche sie in ihrer Entwicklung unterstützen sollte, hatte er zunächst ausprobieren wollen ob, wann und wie sie auf diese Art der seelischen Eingriffe reagierte und hatte ihr also eine Probeeingebung gesendet. Alice hatte währenddesssen rein gar nichts davon gespürt und sie hatten einfach weitergechattet und auf die Dinge gewartet die da so kommen sollten. Nach etwa anderthalb Stunden hatte sie dann plötzlich ohne jeglichen Grund das dringende Bedürfnis gehabt, den Chat zu beenden, den Chatraum zu verlassen und Abstand zu Damian entstehen zu lassen. Sie wollte weg, und zwar zügig. Als sie Damian davon erzählte, hatte dieser gelacht.
Schnell hatte er ihr eine Gegeneingebung geschickt, um die erste, welche ihr so unangenehme Gefühle und Fluchtgedanken eingebracht hatte, zu entkräften. Selbstredend hatte Alice ganz schnell wissen wollen, was er ihr da eigentlich gesendet hatte. Und in diesem Fall hatte Damian sie gnädigerweise nicht zum Warten verdammt sondern ihr direkt erzählt, welche Dinge er ihr so geflüstert hatte. Offenbar hatte er sich als wirklich böser Unhold präsentiert und Alice so dazu veranlasst, ganz dringend die Flucht ergreifen zu wollen sobald ihr Unterbewusstes die Nachricht aufgenommen hatte. Zum Glück hatte die Gegeneingebung in ihr sehr schnell ihre wohltuenden Effekte verbreitet und ihre ungute Stimmung in ruhig lächelnde Zufriedenheit verwandelt. Er hatte ihr darin seine aufrichtige Dankbarkeit für die bisherigen Gespräche und die daraus entstehende Entwicklungsmöglichkeit für ihn selber ausgesprochen. Diese Eingebung, erinnert sich Alice, hatte sie für viele Stunden sehr zufrieden gemacht. Sie hatte Alice ein dauerhaftes Lächeln ins Gesicht gemalt und ihr ein Wohlbefinden vermittelt, welches sie eingehüllt und ausgefüllt hatte wie glitzerndes, wärmendes Sonnenlicht.
Andächtig unterbricht sie das Schreiben. Beeindruckt hatte Damian sie schon am Anfang ihrer gemeinsamen Chats, doch irgendwann war diese simple Anerkennung in heimliche Bewunderung umgeschlagen. Voll inbrünstiger Begeisterung hatte sie das aber weder lange verbergen können noch wirklich verstecken wollen. Damians vielseitige Fähigkeiten verdienten einfach ehrliche Würdigung. Wenn sie sich eines Tages begegneten, würde Alice nicht nur aufgrund der ungleich verteilten Körpergröße zu ihm aufsehen.
Damian hatte ihr erklärt, dass Eingebungen dabei helfen können, erwünschte Entwicklungsprozesse zu unterstützen indem sie den Verstand und das Denken umgehen und direkt aufs Unterbewusste wirken. Eigentlich hätte Alice sich durch diese Erklärung höchst alarmiert fühlen müssen. Manipulationen unter Umgehung ihres Kopfes, ihres Denkens...könnte ein Kontrollverlust denn totaler sein? Ausgerechnet sie, die sich sonst so oft fast krampfhaft an Kontrollierbarkeit festhielt, alles dafür tat, den Überblick zu behalten, nicht ins Schwimmen zu kommen, ausgerechnet sie hatte sich zutraulich, ja, fast vertrauensselig naiv hineingestürzt, versessen darauf auszuprobieren und zu erleben. Eine Angst vor ungewollter Beeinflussung wäre ohnehin überflüssig gewesen, denn Damian leitete sie zwar und half ihr durch den überwucherten Dschungel ihrer Aufgaben, Empfindungen und Wünsche, aber er sorgte auch dafür, dass sie selber nachdachte, selber erarbeitete und entschied. Also konnten sie beginnen.
Natürlich war Alices Neugierde sofort entflammt, sie hatte buchstäblich lichterloh gebrannt und wollte sofort alles darüber wissen, woher sie sich kannten, welcher Art ihre damalige Beziehung gewesen war und was genau sie zusammen erlebt hatten. Damian hätte nachsehen können. Er konnte auch sich selbst rückführen, doch er hatte das abgelehnt. Vielleicht wäre ihm irgendwann einmal danach, reinzusehen und herauszufinden woher sie sich kannten. Und noch vielleichter würde er es ihr dann erzählen. Vielleicht aber auch nicht. Ihr Gefühl, dass es sich um eine karmische Verbindung handele, reiche doch völlig aus, Details seien jetzt nicht erforderlich. Das durfte jawohl echt nicht wahr sein! Alice hätte in die Tastatur beißen können. Doch wieder einmal war ihr nichts anderes übrig geblieben als zu warten und sich das Drängeln zu verkneifen. Nicht umsonst gab es das geflügelte Wort "Wissen ist Macht" und in diesem Fall gab Alice Damians Macht nur zähneknirschend und mit Aufbietung großer Teile ihrer Selbstkontrolle nach. Fiel es ihr auch manchmal leicht, sich seiner Führung hinzugeben, seine Entscheidungen zu akzeptieren und genoss sie auch manchmal das loslassen Dürfen sehr, gab es immer wieder Situationen in denen sie den Spieß umgedreht hätte wenn sie nur gekonnt hätte. Alice muss lachen. Allein der Gedanke "den Spieß umzudrehen" war lächerlich. Eher würde die Hölle einfrieren. Trotzdem! Warum fand er es nicht genauso spannend wie sie, zu erfahren woher sie sich bereits kannten? Wieso zum Teufel wollte er nicht sofort nachsehen?
Natürlich hatte Alice sich letztlich gefügt und widerwillig abgewartet und so nach einigen Tagen erfahren, dass sie beide schon einmal ein Verhältnis zueinander gehabt hatten, welches vorerst im Verborgenen bleiben musste. Auch damals hatte Damian als Mann und Alice als Frau gelebt; vermutlich in der Zeit des ausklingenden Frühmittelalters irgendwo im Süden. Fast unglaublicherweise war Damian damals, der sich im jetzigen Leben von allen Religionen und Kirchen mehr als distanzierte, Abt gewesen. Alice war irgendwann in seinem Kloster aufgetaucht und geblieben. Die genauen Umstände blieben Damian zunächst verborgen, aber er hatte gesehen, dass sie beide so viel Zeit wie nur möglich miteinander verbracht hatten und ihr damaliges Liebesverhältnis letztlich scheinbar mehr oder weniger stillschweigend toleriert worden war. Sie hatten sogar gemeinsame Kinder gehabt.
Alice blickt vom Schreiben auf. Ein wenig verwundert erinnert sie sich, dass sie auch bei diesen etwas skurril anmutenden Informationen keinerlei Zweifel an deren Richtigkeit gehegt hatte. Alles floss einfach passend ineinander, fesselte sie unglaublich und hielt sie mit unbeschreiblicher Faszination gefangen. Alles in ihr, jede Faser, jeder Nerv verlangte unerbittlich danach, tiefer und immer tiefer einzutauchen und zu erfahren, zu erkennen, zu begreifen. Fast schaudert Alice bei dem Gedanken daran, wie sehr sie sich dem Einfluss dieser Kraft des Unerklärlichen hingibt und wie unerbittlich sie sich selber immer weiter peitscht ohne sich zwischendurch zu erlauben, zur Ruhe zu kommen. Leise seufzend schreibt sie weiter.
Irgendwann zu dieser Zeit hatte Damian auch damit begonnen, Alice Eingebungen zu machen. Er konnte nicht nur Informationen aus Alices Unterbewussten empfangen, sondern ihm auch welche zukommen lassen, ohne dabei körperlich anwesend sein zu müssen. Er begab sich gedanklich einfach in die Nähe Alices Unterbewusstseins und flüsterte ihr die Eingebungen in ihr mentales Ohr. Wie genau das Ganze von statten ging konnte Alice letztlich auch nicht erklären, sie merkte es meist nicht einmal. Die überzeugende Wirkung allerdings, ja, die hatte sie schon beim allerersten Test feststellen dürfen. Bevor Damian ihr die erste Eingebung gemacht hatte, welche sie in ihrer Entwicklung unterstützen sollte, hatte er zunächst ausprobieren wollen ob, wann und wie sie auf diese Art der seelischen Eingriffe reagierte und hatte ihr also eine Probeeingebung gesendet. Alice hatte währenddesssen rein gar nichts davon gespürt und sie hatten einfach weitergechattet und auf die Dinge gewartet die da so kommen sollten. Nach etwa anderthalb Stunden hatte sie dann plötzlich ohne jeglichen Grund das dringende Bedürfnis gehabt, den Chat zu beenden, den Chatraum zu verlassen und Abstand zu Damian entstehen zu lassen. Sie wollte weg, und zwar zügig. Als sie Damian davon erzählte, hatte dieser gelacht.
Schnell hatte er ihr eine Gegeneingebung geschickt, um die erste, welche ihr so unangenehme Gefühle und Fluchtgedanken eingebracht hatte, zu entkräften. Selbstredend hatte Alice ganz schnell wissen wollen, was er ihr da eigentlich gesendet hatte. Und in diesem Fall hatte Damian sie gnädigerweise nicht zum Warten verdammt sondern ihr direkt erzählt, welche Dinge er ihr so geflüstert hatte. Offenbar hatte er sich als wirklich böser Unhold präsentiert und Alice so dazu veranlasst, ganz dringend die Flucht ergreifen zu wollen sobald ihr Unterbewusstes die Nachricht aufgenommen hatte. Zum Glück hatte die Gegeneingebung in ihr sehr schnell ihre wohltuenden Effekte verbreitet und ihre ungute Stimmung in ruhig lächelnde Zufriedenheit verwandelt. Er hatte ihr darin seine aufrichtige Dankbarkeit für die bisherigen Gespräche und die daraus entstehende Entwicklungsmöglichkeit für ihn selber ausgesprochen. Diese Eingebung, erinnert sich Alice, hatte sie für viele Stunden sehr zufrieden gemacht. Sie hatte Alice ein dauerhaftes Lächeln ins Gesicht gemalt und ihr ein Wohlbefinden vermittelt, welches sie eingehüllt und ausgefüllt hatte wie glitzerndes, wärmendes Sonnenlicht.
Andächtig unterbricht sie das Schreiben. Beeindruckt hatte Damian sie schon am Anfang ihrer gemeinsamen Chats, doch irgendwann war diese simple Anerkennung in heimliche Bewunderung umgeschlagen. Voll inbrünstiger Begeisterung hatte sie das aber weder lange verbergen können noch wirklich verstecken wollen. Damians vielseitige Fähigkeiten verdienten einfach ehrliche Würdigung. Wenn sie sich eines Tages begegneten, würde Alice nicht nur aufgrund der ungleich verteilten Körpergröße zu ihm aufsehen.
Damian hatte ihr erklärt, dass Eingebungen dabei helfen können, erwünschte Entwicklungsprozesse zu unterstützen indem sie den Verstand und das Denken umgehen und direkt aufs Unterbewusste wirken. Eigentlich hätte Alice sich durch diese Erklärung höchst alarmiert fühlen müssen. Manipulationen unter Umgehung ihres Kopfes, ihres Denkens...könnte ein Kontrollverlust denn totaler sein? Ausgerechnet sie, die sich sonst so oft fast krampfhaft an Kontrollierbarkeit festhielt, alles dafür tat, den Überblick zu behalten, nicht ins Schwimmen zu kommen, ausgerechnet sie hatte sich zutraulich, ja, fast vertrauensselig naiv hineingestürzt, versessen darauf auszuprobieren und zu erleben. Eine Angst vor ungewollter Beeinflussung wäre ohnehin überflüssig gewesen, denn Damian leitete sie zwar und half ihr durch den überwucherten Dschungel ihrer Aufgaben, Empfindungen und Wünsche, aber er sorgte auch dafür, dass sie selber nachdachte, selber erarbeitete und entschied. Also konnten sie beginnen.
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Schattenzauber (5)
corona, 16:16h
Alice startet und möchte heute unbedingt festhalten, wie es zwischen Damian und ihr zu diesen besonderen, diesen magischen Verstrickungen gekommen war. Sie kramt in ihrem Gedächtnis.
Als erstes hatte sie sich massivst daran verschluckt, dass er hin und wieder sehr seltsame Formulierungen wählte. Beim ersten Mal hatte sie noch an einen eigenartigen Zufall glauben wollen, obwohl sie auch da schon innerlich zusammengezuckt war und eine deutlich fühlbare Spannung über ihre Haut geströmt war. Doch er hatte sie wiederholt kalt erwischt. Wie war das möglich? Was wusste er da über sie, was sie ihm noch gar nicht erzählt hatte? Er benutzte immer wieder Worte oder Satzteile, die eine besondere Bedeutung für sie hatten, mit denen es in ihrer Vergangenheit eine außergewöhnliche Bewandtnis hatte. Einmal hatte er sie wie selbstverständlich mit einer Art Spitznamen angesprochen, den er unmöglich hatte wissen können. Ein anderes mal hatte er dieselben seltenen Formulierungen gewählt, für die eine Freundin sich entschieden hatte, als sie Alice vor einigen Jahren eine Geschichte geschrieben hatte. Auch damals hatte Alice sich an einem Wendepunkt befunden. Das hatte sie zunächst ziemlich erschreckt, weil es ihren ersten Eindruck, nämlich, dass ein Kontakt zu dem damals noch völlig unbekannten Damian zu Veränderungen führen würde bestätigt hatte und ihr die trügerische Sicherheit genommen hatte, die Kontrolle über das Kommende behalten zu können. Im Grunde wusste sie, dass das Gefühl dieser Art von Sicherheit ohnehin eine Illusion war. Aber damit durch seine Wortwahl konfrontiert zu werden hatte ihr den Boden unter den Füßen weggefegt und sie fühlte sich wie im freien Fall ins nebulöse Dunkel. Es machte ihr große Angst und führte dazu, dass sie innerlich kämpfte.
Sie wusste nicht, was sie mehr erschreckte. Die Tatsache, dass ihr erstes Gefühl, welches sie beim Betrachten von Damians einzelnem Auge gehabt hatte, bestätigt wurde oder dass sie sich eingestehen musste, dass sie bereit, mehr noch, dass sie erpicht darauf war das Ungewisse, das Neue, die Veränderung willkommen zu heißen. Sie hatte sich gesträubt, das zur Kenntnis zu nehmen, hatte versucht, das Bestehende festzuhalten, einzufrieren, es vor dem Verlorengehen zu bewahren, wohl wissend, dass sich die Veränderung sowieso einen Weg suchen würde, mit Damian oder ohne ihn. Doch die Angst in ihr wollte wenigstens so tun, als ob das Leben eine kontrollierbare Angelegenheit sei, wollte sie glauben machen, dass Unbeweglichkeit Schutz und Sicherheit bedeutete. Damian hatte ihren Sturz ins Ungewisse abgemildert. Er hatte sie im übertragenen Sinne auf den Schoß genommen und ihr erklärt, dass hier nicht zwingend ein Widerspruch vorliegen musste, dass man sowohl das Bestehende erhalten konnte und gleichzeitig das Neue willkommen heißen. Er war sehr geduldig und empathisch gewesen und hatte sie über viele Wochen immer wieder in ihrer Auseinandersetzung mit ihren Ängsten begleitet. Außerdem hatte er ihr die Erlaubnis gegeben, das Leben mit all seinen Unwägbarkeiten als ein spannendes Abenteuer anzusehen und dadurch ihrer Empfindung der Vorfreude auf das Kommende, welche sie sich erst nicht eingestehen wollte, Raum geschaffen. So hatte sie sich mit der Zeit zunächst daran gewöhnt, dass er Formulierungen benutzte, die sie an etwas Wichtiges aus ihrer Vergangenheit erinnerten oder aber auch wie zufällig Hinweise für ihre gegenwärtige Situation enthielten und vielleicht sogar manchmal einen kleinen, schemenhaften Ausblick auf ihre Zukunft boten.
Alice unterbricht ihr Schreiben. Sie erinnert sich nur noch unscharf und verschwommen an die finstere Furcht. Schon sehr lange vor ihrem allerersten Chat mit Damian hatte sich diese Angst in ihr festgesetzt, die unsinnige Angst davor, zu wenig oder sogar gar keinen Einfluss auf zukünftige Begebenheiten ihres Lebens nehmen zu können. Dabei war ihr die Absurdität des Versuches, alles steuern, alles kontrollieren zu wollen durchaus bewusst gewesen, und doch hatte die Furcht vor unabwendbarer und vielleicht ungewollter Veränderung beständig an ihr gefressen, sie regelrecht zerfressen. Obwohl Alice stetig versucht hatte ihre Attacken abzuwehren, ihr Verstand und beherztes Handeln entgegenzusetzen und sich weder von ihr unterkriegen zu lassen noch liegen zu bleiben, wenn sie sie doch einmal zu Fall gebracht hatte. Damian war es auf zauberhafte und unerklärliche Weise gelungen, diese kaltdunkle Angst zu verscheuchen. Und auch wenn das Ganze ein vielschrittiger Prozess gewesen war, war sein Ergebnis doch faszinierend überzeugend. Bewegt tippt sie weiter.
Eine weitere Begebenheit war, dass Damian schon ganz am Anfang erkannt hatte, dass Alice zu der Gruppe der hochsensiblen Menschen gehört, extrem empfindsam, durchlässig und störanfällig sowie allzu sehr mitfühlend und verloren unter der Last der dadurch empfundenen Verantwortung. Sie vermutete, dass ihm ihre Vielschichtigkeit, ihre Reflektionsfähigkeit, ihre Intuition sowie ihre Feinfühligkeit aufgefallen waren genauso wie ihre Tendenz zur Überreaktion, ihr häufiges Gefühl der Überreizung und des Gestresstseins durch Mitmenschen. Er hatte ihr empfohlen, sich gegen zu viele Außenreize abzudichten, sich zu schützen und sich dadurch selbst zu stärken, indem sie zweimal täglich ihre Aura visualisierte. Dazu sollte sie sich vorstellen, dass eine Art weißer Schein sich von ihrer Körpermitte her ballonförmig um sie herum ausbreite und wachse und sie abdichte, dabei immer größer und dichter würde, Fremdeinflüsse von innen nach außen wegschiebe und sie vor Angriffen auf ihre Energien schütze. Die Aura solle ruhig auf einen Radius von mindestens zehn Metern ausgedehnt werden. Um das zu vereinfachen solle sie sich einfach als Miniaturfigur in Größe eines Playmobilmännchens visualisieren und die Aura mit ihren Händen um es herum formen. Abschließend solle sie die äußerste Schicht besonders hell und strahlend und extradicht erscheinen lassen. Alice hatte das einige Tage lang ausprobiert und war von den Ergebnissen mehr als überrascht. Das Gefühl der nackten Schutzlosigkeit war verschwunden, sie konnte allmählich anderen Menschen begegnen, ohne sich danach leergesaugt und erschöpft zu fühlen. Immer schon hatte sie im alltäglichen Miteinander viel gegeben, ohne dabei auf ihre eigenen Grenzen zu achten. Manchmal hatte sie diese nicht einmal wahrgenommen und die Bedürfnisse der anderen automatisch über ihre eigenen gestellt.
Sie blickt auf. Im Grunde wusste sie selber nicht, warum sie das tatsächlich ausprobiert hatte. Eigentlich hatte sie ein ziemlich gespaltenes Verhältnis zu allem, was mit übersinnlichen Phänomenen zu tun hatte. Einerseits fühlte sie in aller Deutlichkeit, dass es Natürlichkeiten gab, welche zwar vermeintlich unwirklich übersinnlich erschienen sobald der Verstand damit begann sie zu sezieren, aber im Moment des Erlebens schlichtweg emotionale Antworten und intuitives, fühlendes Sehen ermöglichten. Andererseits hatte sie sich auch lange vor unerklärlichen Phänomenen gefürchtet. Sie vermutete die Ursache dafür in der unheilschwangeren Dramatik, mit welcher ihr höchstwahrscheinlich viel zu früh mystische Begebenheiten vermittelt worden waren. Zudem war da immer schon die eigene, sie fast verschlingende Neugierde gewesen, die es ihr unmöglich machte einfach einen meilenweiten Bogen um diese Dinge zu schlagen. Nicht, dass sie es nicht versucht hatte, aber die bestrickende Anziehungskraft hatte sie immer wieder vorsichtige Blicke riskieren lassen. Ihre Vorstellung von allem übersinnlich Magischen war bisher eine verzerrte Fratze, welche aus Fetzen schlechter Vorzeichen, Tragik, dunklen Omen, sich ankündigenden Schicksalsschlägen, Gefahr, Grauen und Vorboten unsäglichen Leids zusammen gehalten wurde. Die beste Methode ein wenigstens dünnes Gefühl von Sicherheit aufrechtzuerhalten, war, alle Gedanken und Verbindungen zu Mystischem zu kappen.
Vielleicht konnte sie sich auch nur deshalb auf diese neuen magischen Erfahrungen einlassen, weil Damian selber so wenig an das erinnerte, was man sich im allgemeinen unter einem Esoteriker vorstellte. Er hasste diese Bezeichnung regelrecht und wurde nicht müde sich immer wieder deutlich von diesem Begriff und den darin oft enthaltenen Scharlatanerien und unseriösen Heilsversprechen zu distanzieren. Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten waren aber nun mal einfach vorhanden, und er zögerte auch nicht, sie zu nutzen und einzusetzen wenn es ihm angemessen erschien. Auf Alice wirkte er jedoch geradezu sachlich im Umgang mit ihnen, weder plusterte er sich auf, noch bot er irgendeine Art nebelschwadiger, die Angst der anderen ausnutzender Show mit Brimborium und Firlefanz. Er war so wohltuend normal und bodenständig, dass es Alice möglich war, der bohrenden Neugierde in ihr Raum zu geben und ihre alte und unbefriedigende Strategie des Wegdenkens aufzugeben.
Irgendwann hatte er ihr verraten, dass er sie, ihre Energie fühlen konnte und ihr mitgeteilt, dass sie ihn gelegentlich besuchen käme. Ihre Energie sei dann deutlich in seiner Nähe fühlbar. Alice wusste nicht mehr ganz genau, ob diese Information sie verwundert hatte, aber sie erinnerte sich, dass sie detailliert wissen wollte, wie sie sich anfühlte. Sanft, hatte er gesagt, sanft und ihre Energie erinnere an Silberglöckchen. Irgendwann hatte auch Alice Damian zum ersten Mal gespürt. Sie erinnerte sich nur ungern, denn als ihr seine Energie das erste Mal bewusst begegnete, war er sehr böse auf sie gewesen. Dieses Gefühl, als ob eine eiskalte Hand sie im Nacken gepackt hatte und dort unbarmherzig zugriff, hatte sie buchstäblich in sich zusammensinken lassen. Zischende Kälte vermittelte ihr den Eindruck, brennend schockgefrostet zu werden. Unangenehme Schwere hatte sich um sie gelegt, ihre Bewegungen lahm und schwerfällig gemacht und sich in ein kriechendes Krankheitsgefühl verwandelt, welches sich über viele Stunden einfach nicht abschütteln ließ. Irgendwo unter diesen unangenehmen Empfindungen war auch er zu spüren gewesen, sein eigentliches Naturell, sein eigentlicher wesenhafter Kern, den sie später noch auf viel angenehmere Weise spüren sollte.
Nachdenklich stoppt Alice. Soviel war bereits zwischen ihnen geschehen. Das alles aufzuschreiben könnte eine Lebensaufgabe werden. Für heute jedoch hat sie eindeutig genug geschrieben.
Als erstes hatte sie sich massivst daran verschluckt, dass er hin und wieder sehr seltsame Formulierungen wählte. Beim ersten Mal hatte sie noch an einen eigenartigen Zufall glauben wollen, obwohl sie auch da schon innerlich zusammengezuckt war und eine deutlich fühlbare Spannung über ihre Haut geströmt war. Doch er hatte sie wiederholt kalt erwischt. Wie war das möglich? Was wusste er da über sie, was sie ihm noch gar nicht erzählt hatte? Er benutzte immer wieder Worte oder Satzteile, die eine besondere Bedeutung für sie hatten, mit denen es in ihrer Vergangenheit eine außergewöhnliche Bewandtnis hatte. Einmal hatte er sie wie selbstverständlich mit einer Art Spitznamen angesprochen, den er unmöglich hatte wissen können. Ein anderes mal hatte er dieselben seltenen Formulierungen gewählt, für die eine Freundin sich entschieden hatte, als sie Alice vor einigen Jahren eine Geschichte geschrieben hatte. Auch damals hatte Alice sich an einem Wendepunkt befunden. Das hatte sie zunächst ziemlich erschreckt, weil es ihren ersten Eindruck, nämlich, dass ein Kontakt zu dem damals noch völlig unbekannten Damian zu Veränderungen führen würde bestätigt hatte und ihr die trügerische Sicherheit genommen hatte, die Kontrolle über das Kommende behalten zu können. Im Grunde wusste sie, dass das Gefühl dieser Art von Sicherheit ohnehin eine Illusion war. Aber damit durch seine Wortwahl konfrontiert zu werden hatte ihr den Boden unter den Füßen weggefegt und sie fühlte sich wie im freien Fall ins nebulöse Dunkel. Es machte ihr große Angst und führte dazu, dass sie innerlich kämpfte.
Sie wusste nicht, was sie mehr erschreckte. Die Tatsache, dass ihr erstes Gefühl, welches sie beim Betrachten von Damians einzelnem Auge gehabt hatte, bestätigt wurde oder dass sie sich eingestehen musste, dass sie bereit, mehr noch, dass sie erpicht darauf war das Ungewisse, das Neue, die Veränderung willkommen zu heißen. Sie hatte sich gesträubt, das zur Kenntnis zu nehmen, hatte versucht, das Bestehende festzuhalten, einzufrieren, es vor dem Verlorengehen zu bewahren, wohl wissend, dass sich die Veränderung sowieso einen Weg suchen würde, mit Damian oder ohne ihn. Doch die Angst in ihr wollte wenigstens so tun, als ob das Leben eine kontrollierbare Angelegenheit sei, wollte sie glauben machen, dass Unbeweglichkeit Schutz und Sicherheit bedeutete. Damian hatte ihren Sturz ins Ungewisse abgemildert. Er hatte sie im übertragenen Sinne auf den Schoß genommen und ihr erklärt, dass hier nicht zwingend ein Widerspruch vorliegen musste, dass man sowohl das Bestehende erhalten konnte und gleichzeitig das Neue willkommen heißen. Er war sehr geduldig und empathisch gewesen und hatte sie über viele Wochen immer wieder in ihrer Auseinandersetzung mit ihren Ängsten begleitet. Außerdem hatte er ihr die Erlaubnis gegeben, das Leben mit all seinen Unwägbarkeiten als ein spannendes Abenteuer anzusehen und dadurch ihrer Empfindung der Vorfreude auf das Kommende, welche sie sich erst nicht eingestehen wollte, Raum geschaffen. So hatte sie sich mit der Zeit zunächst daran gewöhnt, dass er Formulierungen benutzte, die sie an etwas Wichtiges aus ihrer Vergangenheit erinnerten oder aber auch wie zufällig Hinweise für ihre gegenwärtige Situation enthielten und vielleicht sogar manchmal einen kleinen, schemenhaften Ausblick auf ihre Zukunft boten.
Alice unterbricht ihr Schreiben. Sie erinnert sich nur noch unscharf und verschwommen an die finstere Furcht. Schon sehr lange vor ihrem allerersten Chat mit Damian hatte sich diese Angst in ihr festgesetzt, die unsinnige Angst davor, zu wenig oder sogar gar keinen Einfluss auf zukünftige Begebenheiten ihres Lebens nehmen zu können. Dabei war ihr die Absurdität des Versuches, alles steuern, alles kontrollieren zu wollen durchaus bewusst gewesen, und doch hatte die Furcht vor unabwendbarer und vielleicht ungewollter Veränderung beständig an ihr gefressen, sie regelrecht zerfressen. Obwohl Alice stetig versucht hatte ihre Attacken abzuwehren, ihr Verstand und beherztes Handeln entgegenzusetzen und sich weder von ihr unterkriegen zu lassen noch liegen zu bleiben, wenn sie sie doch einmal zu Fall gebracht hatte. Damian war es auf zauberhafte und unerklärliche Weise gelungen, diese kaltdunkle Angst zu verscheuchen. Und auch wenn das Ganze ein vielschrittiger Prozess gewesen war, war sein Ergebnis doch faszinierend überzeugend. Bewegt tippt sie weiter.
Eine weitere Begebenheit war, dass Damian schon ganz am Anfang erkannt hatte, dass Alice zu der Gruppe der hochsensiblen Menschen gehört, extrem empfindsam, durchlässig und störanfällig sowie allzu sehr mitfühlend und verloren unter der Last der dadurch empfundenen Verantwortung. Sie vermutete, dass ihm ihre Vielschichtigkeit, ihre Reflektionsfähigkeit, ihre Intuition sowie ihre Feinfühligkeit aufgefallen waren genauso wie ihre Tendenz zur Überreaktion, ihr häufiges Gefühl der Überreizung und des Gestresstseins durch Mitmenschen. Er hatte ihr empfohlen, sich gegen zu viele Außenreize abzudichten, sich zu schützen und sich dadurch selbst zu stärken, indem sie zweimal täglich ihre Aura visualisierte. Dazu sollte sie sich vorstellen, dass eine Art weißer Schein sich von ihrer Körpermitte her ballonförmig um sie herum ausbreite und wachse und sie abdichte, dabei immer größer und dichter würde, Fremdeinflüsse von innen nach außen wegschiebe und sie vor Angriffen auf ihre Energien schütze. Die Aura solle ruhig auf einen Radius von mindestens zehn Metern ausgedehnt werden. Um das zu vereinfachen solle sie sich einfach als Miniaturfigur in Größe eines Playmobilmännchens visualisieren und die Aura mit ihren Händen um es herum formen. Abschließend solle sie die äußerste Schicht besonders hell und strahlend und extradicht erscheinen lassen. Alice hatte das einige Tage lang ausprobiert und war von den Ergebnissen mehr als überrascht. Das Gefühl der nackten Schutzlosigkeit war verschwunden, sie konnte allmählich anderen Menschen begegnen, ohne sich danach leergesaugt und erschöpft zu fühlen. Immer schon hatte sie im alltäglichen Miteinander viel gegeben, ohne dabei auf ihre eigenen Grenzen zu achten. Manchmal hatte sie diese nicht einmal wahrgenommen und die Bedürfnisse der anderen automatisch über ihre eigenen gestellt.
Sie blickt auf. Im Grunde wusste sie selber nicht, warum sie das tatsächlich ausprobiert hatte. Eigentlich hatte sie ein ziemlich gespaltenes Verhältnis zu allem, was mit übersinnlichen Phänomenen zu tun hatte. Einerseits fühlte sie in aller Deutlichkeit, dass es Natürlichkeiten gab, welche zwar vermeintlich unwirklich übersinnlich erschienen sobald der Verstand damit begann sie zu sezieren, aber im Moment des Erlebens schlichtweg emotionale Antworten und intuitives, fühlendes Sehen ermöglichten. Andererseits hatte sie sich auch lange vor unerklärlichen Phänomenen gefürchtet. Sie vermutete die Ursache dafür in der unheilschwangeren Dramatik, mit welcher ihr höchstwahrscheinlich viel zu früh mystische Begebenheiten vermittelt worden waren. Zudem war da immer schon die eigene, sie fast verschlingende Neugierde gewesen, die es ihr unmöglich machte einfach einen meilenweiten Bogen um diese Dinge zu schlagen. Nicht, dass sie es nicht versucht hatte, aber die bestrickende Anziehungskraft hatte sie immer wieder vorsichtige Blicke riskieren lassen. Ihre Vorstellung von allem übersinnlich Magischen war bisher eine verzerrte Fratze, welche aus Fetzen schlechter Vorzeichen, Tragik, dunklen Omen, sich ankündigenden Schicksalsschlägen, Gefahr, Grauen und Vorboten unsäglichen Leids zusammen gehalten wurde. Die beste Methode ein wenigstens dünnes Gefühl von Sicherheit aufrechtzuerhalten, war, alle Gedanken und Verbindungen zu Mystischem zu kappen.
Vielleicht konnte sie sich auch nur deshalb auf diese neuen magischen Erfahrungen einlassen, weil Damian selber so wenig an das erinnerte, was man sich im allgemeinen unter einem Esoteriker vorstellte. Er hasste diese Bezeichnung regelrecht und wurde nicht müde sich immer wieder deutlich von diesem Begriff und den darin oft enthaltenen Scharlatanerien und unseriösen Heilsversprechen zu distanzieren. Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten waren aber nun mal einfach vorhanden, und er zögerte auch nicht, sie zu nutzen und einzusetzen wenn es ihm angemessen erschien. Auf Alice wirkte er jedoch geradezu sachlich im Umgang mit ihnen, weder plusterte er sich auf, noch bot er irgendeine Art nebelschwadiger, die Angst der anderen ausnutzender Show mit Brimborium und Firlefanz. Er war so wohltuend normal und bodenständig, dass es Alice möglich war, der bohrenden Neugierde in ihr Raum zu geben und ihre alte und unbefriedigende Strategie des Wegdenkens aufzugeben.
Irgendwann hatte er ihr verraten, dass er sie, ihre Energie fühlen konnte und ihr mitgeteilt, dass sie ihn gelegentlich besuchen käme. Ihre Energie sei dann deutlich in seiner Nähe fühlbar. Alice wusste nicht mehr ganz genau, ob diese Information sie verwundert hatte, aber sie erinnerte sich, dass sie detailliert wissen wollte, wie sie sich anfühlte. Sanft, hatte er gesagt, sanft und ihre Energie erinnere an Silberglöckchen. Irgendwann hatte auch Alice Damian zum ersten Mal gespürt. Sie erinnerte sich nur ungern, denn als ihr seine Energie das erste Mal bewusst begegnete, war er sehr böse auf sie gewesen. Dieses Gefühl, als ob eine eiskalte Hand sie im Nacken gepackt hatte und dort unbarmherzig zugriff, hatte sie buchstäblich in sich zusammensinken lassen. Zischende Kälte vermittelte ihr den Eindruck, brennend schockgefrostet zu werden. Unangenehme Schwere hatte sich um sie gelegt, ihre Bewegungen lahm und schwerfällig gemacht und sich in ein kriechendes Krankheitsgefühl verwandelt, welches sich über viele Stunden einfach nicht abschütteln ließ. Irgendwo unter diesen unangenehmen Empfindungen war auch er zu spüren gewesen, sein eigentliches Naturell, sein eigentlicher wesenhafter Kern, den sie später noch auf viel angenehmere Weise spüren sollte.
Nachdenklich stoppt Alice. Soviel war bereits zwischen ihnen geschehen. Das alles aufzuschreiben könnte eine Lebensaufgabe werden. Für heute jedoch hat sie eindeutig genug geschrieben.
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Pendelschlag (4)
corona, 16:07h
Alice startet den Laptop: ihre Gedanken befinden sich im Gestern und versuchen Erinnerungen und Gefühle zu fassen zu bekommen und diese in Worte zu transformieren.
Anfänglich hatten sich ihre Chats vornehmlich um BDSM gedreht. Ein paar eigene Erfahrungen hatte Alice da ja durchaus, aber diese waren lange nicht so vielfältig wie die Damians. Dafür hatte sie aber tausend Fragen gehabt. Und von Beginn an war klar gewesen, wer in den Gesprächen den Ton angab. 'Wer fragt, der führt.' hieß es doch so schön. Nicht so in diesem Fall. Seine Art ein Gespräch zu führen erinnerte sie an einen Tänzer: Er gab den Rahmen vor, in dem man sich gemeinsam bewegte, er ließ ihr genügend Raum, ihre eigenen Bewegungen auszuführen, genügend Freiheit, ihre eigenen Schritte zu tanzen. Und doch bestimmte er wann und wie lange, bestimmte, wann er sie zurückzog, wann sie gemeinsam die Richtung wechselten und welche Schrittfolge gerade angesagt war. Seine Art zu führen hatte etwas Natürliches, etwas Geschmeidiges. Ganz offenbar wusste er genau was er tat und konnte mit Macht umgehen. Er gehörte weder zu der plumpen und fast bemitleidenswerten "KNIE NIEDER, SCHLAMPE"-Fraktion noch zu den Männern, die sie im Chat gelegentlich vorsichtig anspielten um ihre Reaktion zu testen und ihre Zustimmung abzuholen. Aber wie war er eigentlich stattdessen? Er war. Punkt. Seine Autorität blitzte nur hin und wieder durch. Humor gehörte zu seinen Eigenschaften, genauso wie Charme. Er verfolgte seinen eigenen Plan, machte sein Ding, war dabei aber gleichzeitig zugewandt und achtsam, einfühlsam sogar. Abgesehen davon fragte er auch, und zwar gründlich. Es gab wenig, was ihn nicht interessierte. Und wenn ihn etwas interessierte konnte er eine verbissene Hartnäckigkeit entwickeln, es zu erfahren. Sie konnte sich nicht erinnern, dass es ihr auch nur ein einziges Mal gelungen war, eine seiner Fragen unbeantwortet stehen zu lassen. Weder Gegenfragen noch geschickte Ablenkungsmanöver konnten ihn von einem Thema abbringen, das seine Neugierde geweckt hatte. Manchmal ließ er einen Gedanken auch einfach vorübergehend ruhen, um dann irgendwann wieder darauf zurückzukommen und so doch noch seine Antwort zu bekommen. Ausdauernde Beharrlichkeit zeichnete ihn aus. Oft musste er aber gar nicht besonders nachbohren; Alice gehörte zu den Menschen, denen ein Stichwort oder eine kurze Frage genügte um in epischer Breite ihre Gedanken mitzuteilen. Sie war nicht nur an anderen Menschen interessiert, sie drehte sich auch immer wieder gern um sich selbst.
Aber nicht nur sie, auch er war in vielerlei Hinsicht durchaus mitteilsam, teilte zum Beispiel sein Wissen über BDSM oder seine besonderen Kenntnisse über die Menschen bereitwillig. Auch hinsichtlich seiner vielen unterschiedlichen Erfahrungen als Dom war er ziemlich redselig. Alice hatte es von Anfang an geliebt, ihm zuzuhören. Zuzulesen musste es heißen, denn seine Stimme kannte sie auch Monate nach ihrem ersten Chat noch nicht. Eine Zeit lang hatte sie regelrecht darauf gebrannt wenigstens seinen Tonfall und seine Aussprache kennen zu lernen und manchmal war es ihr so vorgekommen, als ob auch er gern einmal hören würde, wie sie eigentlich klang. Doch bisher war es leider zu keinem Telefonat gekommen, auch wenn er ihr manchmal spielerisch damit gedroht hatte, sie anzurufen, wenn sie nicht augenblicklich irgendeine seiner Aufforderungen umsetzte. Sie hatte sich fast danach verzehrt ihn endlich einmal zu hören und heimlich gehofft, er würde irgendwann einfach am anderen Ende der Leitung sein, wenn ihr Telefon klingelte, alleine um sie aus der Fassung zu bringen und zu genießen, sie eiskalt erwischt zu haben. Sie hatte sich sogar schon überlegt, was sie sagen würde, wenn er sie in einem ungünstigen Moment, in dem sie nicht allein war, erreichen sollte. Es gab Momente in denen sie so dermaßen versessen darauf war, dass das Verlangen sie fast zerriss. Trotzdem musste sie sich vorerst damit begnügen, seine Wortwahl und die Satzstellung im Chat lesen zu dürfen. Seine Eloquenz hatte sie allerdings auch dort schon mehr als gefesselt. Sie liebte Worte. Besonders dann, wenn jemand mit ihnen umgehen konnte. Im Grunde war sie schon bei ihrem ersten Kontakt in seine Dominanz hineingeglitten. Irgendwie hatte er direkt einen Nerv getroffen. Der Wunsch zu folgen war schon so lange sie denken konnte ihr Begleiter, so dass sie sich hin und wieder gefragt hatte, ob es vielleicht bloß ihre eigenen Bedürfnisse sowie ihre Projektionsfähigkeit waren, die ihn so außerordentlich interessant machten und so passend erscheinen ließen. Aber so hatte es sich nicht angefühlt. Es war wohl vielmehr die intensive Wechselwirkung zwischen ihrem Wunsch und ihrer Bereitschaft sich zu fügen, sich hinzugeben und seiner mit Vertrauenswürdigkeit gepaarten Stärke. Sie hatte schon lange intuitiv gewusst, dass sie sich einfinden können würde, dass sie einem entsprechenden Gegenüber folgen könnte, ihre schwache Seite ein Stück weit zulassen können würde, obwohl sie sehr oft gegen sie ankämpfte. Doch die tatsächliche Erfahrung war neu für sie. Neu und alternativlos. Sein Weg, oder eben kein Weg. Und doch achtete er ihren Weg, manchmal sogar mehr als sie selbst. Eigenartigerweise hatte er sich von Anfang an vertraut angefühlt. Es kam ihr vor, als hätte sie schon lange auf die Begegnung mit ihm, ja, auf ihn gewartet. Deshalb hatte es sie auch nicht wirklich gewundert, dass diese einzigartige Beziehung mehr war als ein bloßes Dom-Sub Verhältnis. Der magische Anteil an ihm, das Spirituale ihrer Beziehung kam ihr seltsam normal vor. Es hatte sie sogar fast weniger gewundert als die eigenartige Sachlage, dass sie sich von ihm dominieren ließ, dass sie tatsächlich seine Anweisungen umsetzte, wirklich seine Befehle befolgte.
Sie blickt auf. Das Gefühl, gerade gar nicht über sich selber zu schreiben macht sich in ihr breit. Kann das denn wahr sein? Kann es möglich sein, dass jemand Aufforderungen einer Person umsetzt, die er nicht einmal gesehen hat; deren Stimme er nicht einmal kennt? Alice muss lachen. Natürlich konnte es wahr sein. Es konnte nicht nur, nein, es WAR. Es war ein ganz realer Fakt. Nicht jemand, sondern sie, Alice, führte aus, was Damian von ihr verlangte. Und das, obwohl viele Kilometer sie trennten. Irre. Total irre. Aber es gefiel ihr, soviel stand fest. Er war aber auch zu geschickt. Alice wendet sich wieder der Tastatur zu, denn sie will versuchen festzuhalten und zu erklären wie er es eigentlich genau angestellt hatte, sie nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
Eine seiner ersten Ansagen an sie war der sadistische Befehl zu warten gewesen. Alice hasste es zu warten. Geduld hatte noch nie zu ihren Stärken gehört. Aber in diesem speziellen Fall war es besonders misslich. Sie war wegen einer Frage an ihn ganz aufgeregt, hatte danach gefiebert, seine Antwort zu lesen. Und Damian hatte ihre hektische Neugierde schamlos dazu benutzt, ihr drängelndes Generve in mehr oder weniger geduldiges Abwarten zu verwandeln. Er hatte einfach verkündet, dass Alice seine Antwort erst dann erhalte, wenn sie ruhig und geduldig sei und nun erstmal ein paar Minuten warten würde. Süffisant grinsend (das hatte sie nicht sehen können, aber sie war dennoch sicher, dass es so war) hatte er hinzugefügt, dass es eine seiner Spezialitäten sei, Frauen zur Geduld zu erziehen. Als sie in der ersten Wartephase angefangen hatte zu maulen, hatte er einfach kurzerhand um einige Minuten verlängert. Mistkerl, elender! Wie gern hätte sie da gezetert und genölt oder ihn wenigstens mit stetiger Nachbohrerei weichgenervt. So saß sie da allein mit ihrem Ärger und musste den auch noch soweit im Zaum halten, dass er zumindest nicht vulkanartig aus ihr heraus brach und im Chat lesbar wurde. Doch was war ihr anderes übrig geblieben als einzulenken? Damain hätte sie mit Vergnügen noch eine Weile mit warten müssen gequält. Irgendwann wär's ihm zu bunt geworden und er hätte das Thema entweder zu den Akten gelegt oder den Chat verlassen; vielleicht auch beides. Wenn sie also Wert auf seine Antwort legte, und das tat sie, musste sie ihm Folge leisten. Also hatte sie versucht sich 'runterzufahren und möglichst widerspruchslos abzuwarten. So hatte sie dann ihre Antwort tatsächlich erhalten, obwohl sie ihm auch durchaus zugetraut hätte, das Thema mit sadistischer Freude trotzalledem noch zu verschieben.
Ein anderes Mal hatte Damian sie dazu gebracht, täglich ein paar Minuten auf Zehenspitzen zu laufen; etwas, was sie bis heute befolgte. Es war um Highheels gegangen, eine ganz offenkundige Vorliebe Damians, welche Alice aber nicht geteilt hatte. Sie war nicht besonders wild darauf sich die Knochen zu brechen, nur um ein paar Zentimeter größer durch die Welt zu staksen. Außerdem knickte sie auch in flachen Schuhen laufend aus heiterem Himmel um. Mit dieser Info hatte sie das Thema als erledigt betrachtet. Sie. Er nicht. Damian war der Ansicht, dass dieses Problem behebbar sei und hatte angekündigt, dass er sie bei einem realen Treffen in jedem Falle so aufknüpfen würde, dass Alice auf Zehenspitzen würde stehen müssen. Also sei ab sofort tägliches Training für sie angesagt, welches sie auch besser durchführen würde. Denn, er würde sich vorführen lassen, wie gut und wie lange sie auf den Fußspitzen herumtippeln könne und das Ergebnis solle dann besser zu seiner Zufriedenheit ausfallen.
Alles andere wäre sehr ungünstig für sie. Obwohl zu dieser Zeit gar kein reales Treffen geplant war, ja, nicht einmal feststand, dass es je eines geben würde, war Damian ihr sehr überzeugend vorgekommen. Sie konnte nicht ausschließen ihn eines Tages wirklich zu treffen und sie war sich sicher, dass er das, was er soeben angekündigt hatte dann auch in die Tat umsetzen würde.
Was hatte er denn da eigentlich genau angekündigt? Bisher waren es nur vage Warnungen gewesen, nicht mal Drohungen. Was für eine perfide Methode! Er überließ es ihrem überaktiven Hirn, sich in bedrohlich grellen Farben auszumalen, was geschehen würde, wenn sie sich seiner Anweisung aufsässig widersetzte. Und er selber würde sich in jedem Falle platzieren wie Persil am Himmel, schließlich hatte er sie ja gewarnt. Sie konnte seine sarkastische Argumentation schon fast hören.
Außerdem hatte sie das starke Gefühl, dass er bei Gelegenheit ohnehin nachfragen würde, ob sie seine Anweisung befolgte und garantiert merken würde, wenn sie ihm dann nicht die Wahrheit sagte. Alice war der festen Überzeugung, dass er auch auf die Entfernung Mittel und Wege finden würde sie zu strafen. Also hatte Alice angefangen das Zehenspitzenlaufen zu trainieren. Nachdem sie nun ohnehin tat, was er verlangt hatte, war sie auch ziemlich neugierig welche Erfolge das bringen würde und hatte nach einiger Zeit beim Shopping ein paar Highheels anprobiert. Es war nicht zu fassen, da hatte dieser Schuft doch wieder einmal Recht behalten! Erstaunlich problemlos war sie durch den Laden stolziert, worüber sie sich so sehr gefreut hatte, dass sie die Schuhe kurzerhand kaufte.
Einmal hatte Damian sie gezwungen, ihr Profil mit einem eigens dafür ausgesuchten Bild zu verunstalten. Es zeigte ein scheußliches Huhn mit Kochlöffel in der geflügelten Hand. Oft nannte er sie Huhn oder Suppenhuhn und Schläge mit dem Kochlöffel hatte er ihr ebenfalls schon einige Male "versprochen" und sich darüber amüsiert, dass Alice versucht hatte ihm dieses unerotische Schlaginstrument auszureden- erfolglos übrigens. Er hatte sogar geplant dieses verdammte Teil mit ihr gemeinsam einzukaufen. Sie würde sich in Grund und Boden schämen, wenn er das wahr machte. Garantiert würde man ihnen ansehen, was da angedacht war. Warum sonst sollten ein Mann und eine Frau gemeinsam einen einzelnen Kochlöffel kaufen? Sie hoffte sehr, dass dieser Kelch an ihr vorüberging.
Klar war, dass seine Dominanz, seine Art BDSM zu zelebrieren in ihr eine starke Resonanz erzeugten.
Alice Blick fällt auf die Uhr. Mist! Klar war auch, dass sie nun keine Zeit mehr hatte. Hektisch speichert sie das Geschriebene und beendet für heute.
Anfänglich hatten sich ihre Chats vornehmlich um BDSM gedreht. Ein paar eigene Erfahrungen hatte Alice da ja durchaus, aber diese waren lange nicht so vielfältig wie die Damians. Dafür hatte sie aber tausend Fragen gehabt. Und von Beginn an war klar gewesen, wer in den Gesprächen den Ton angab. 'Wer fragt, der führt.' hieß es doch so schön. Nicht so in diesem Fall. Seine Art ein Gespräch zu führen erinnerte sie an einen Tänzer: Er gab den Rahmen vor, in dem man sich gemeinsam bewegte, er ließ ihr genügend Raum, ihre eigenen Bewegungen auszuführen, genügend Freiheit, ihre eigenen Schritte zu tanzen. Und doch bestimmte er wann und wie lange, bestimmte, wann er sie zurückzog, wann sie gemeinsam die Richtung wechselten und welche Schrittfolge gerade angesagt war. Seine Art zu führen hatte etwas Natürliches, etwas Geschmeidiges. Ganz offenbar wusste er genau was er tat und konnte mit Macht umgehen. Er gehörte weder zu der plumpen und fast bemitleidenswerten "KNIE NIEDER, SCHLAMPE"-Fraktion noch zu den Männern, die sie im Chat gelegentlich vorsichtig anspielten um ihre Reaktion zu testen und ihre Zustimmung abzuholen. Aber wie war er eigentlich stattdessen? Er war. Punkt. Seine Autorität blitzte nur hin und wieder durch. Humor gehörte zu seinen Eigenschaften, genauso wie Charme. Er verfolgte seinen eigenen Plan, machte sein Ding, war dabei aber gleichzeitig zugewandt und achtsam, einfühlsam sogar. Abgesehen davon fragte er auch, und zwar gründlich. Es gab wenig, was ihn nicht interessierte. Und wenn ihn etwas interessierte konnte er eine verbissene Hartnäckigkeit entwickeln, es zu erfahren. Sie konnte sich nicht erinnern, dass es ihr auch nur ein einziges Mal gelungen war, eine seiner Fragen unbeantwortet stehen zu lassen. Weder Gegenfragen noch geschickte Ablenkungsmanöver konnten ihn von einem Thema abbringen, das seine Neugierde geweckt hatte. Manchmal ließ er einen Gedanken auch einfach vorübergehend ruhen, um dann irgendwann wieder darauf zurückzukommen und so doch noch seine Antwort zu bekommen. Ausdauernde Beharrlichkeit zeichnete ihn aus. Oft musste er aber gar nicht besonders nachbohren; Alice gehörte zu den Menschen, denen ein Stichwort oder eine kurze Frage genügte um in epischer Breite ihre Gedanken mitzuteilen. Sie war nicht nur an anderen Menschen interessiert, sie drehte sich auch immer wieder gern um sich selbst.
Aber nicht nur sie, auch er war in vielerlei Hinsicht durchaus mitteilsam, teilte zum Beispiel sein Wissen über BDSM oder seine besonderen Kenntnisse über die Menschen bereitwillig. Auch hinsichtlich seiner vielen unterschiedlichen Erfahrungen als Dom war er ziemlich redselig. Alice hatte es von Anfang an geliebt, ihm zuzuhören. Zuzulesen musste es heißen, denn seine Stimme kannte sie auch Monate nach ihrem ersten Chat noch nicht. Eine Zeit lang hatte sie regelrecht darauf gebrannt wenigstens seinen Tonfall und seine Aussprache kennen zu lernen und manchmal war es ihr so vorgekommen, als ob auch er gern einmal hören würde, wie sie eigentlich klang. Doch bisher war es leider zu keinem Telefonat gekommen, auch wenn er ihr manchmal spielerisch damit gedroht hatte, sie anzurufen, wenn sie nicht augenblicklich irgendeine seiner Aufforderungen umsetzte. Sie hatte sich fast danach verzehrt ihn endlich einmal zu hören und heimlich gehofft, er würde irgendwann einfach am anderen Ende der Leitung sein, wenn ihr Telefon klingelte, alleine um sie aus der Fassung zu bringen und zu genießen, sie eiskalt erwischt zu haben. Sie hatte sich sogar schon überlegt, was sie sagen würde, wenn er sie in einem ungünstigen Moment, in dem sie nicht allein war, erreichen sollte. Es gab Momente in denen sie so dermaßen versessen darauf war, dass das Verlangen sie fast zerriss. Trotzdem musste sie sich vorerst damit begnügen, seine Wortwahl und die Satzstellung im Chat lesen zu dürfen. Seine Eloquenz hatte sie allerdings auch dort schon mehr als gefesselt. Sie liebte Worte. Besonders dann, wenn jemand mit ihnen umgehen konnte. Im Grunde war sie schon bei ihrem ersten Kontakt in seine Dominanz hineingeglitten. Irgendwie hatte er direkt einen Nerv getroffen. Der Wunsch zu folgen war schon so lange sie denken konnte ihr Begleiter, so dass sie sich hin und wieder gefragt hatte, ob es vielleicht bloß ihre eigenen Bedürfnisse sowie ihre Projektionsfähigkeit waren, die ihn so außerordentlich interessant machten und so passend erscheinen ließen. Aber so hatte es sich nicht angefühlt. Es war wohl vielmehr die intensive Wechselwirkung zwischen ihrem Wunsch und ihrer Bereitschaft sich zu fügen, sich hinzugeben und seiner mit Vertrauenswürdigkeit gepaarten Stärke. Sie hatte schon lange intuitiv gewusst, dass sie sich einfinden können würde, dass sie einem entsprechenden Gegenüber folgen könnte, ihre schwache Seite ein Stück weit zulassen können würde, obwohl sie sehr oft gegen sie ankämpfte. Doch die tatsächliche Erfahrung war neu für sie. Neu und alternativlos. Sein Weg, oder eben kein Weg. Und doch achtete er ihren Weg, manchmal sogar mehr als sie selbst. Eigenartigerweise hatte er sich von Anfang an vertraut angefühlt. Es kam ihr vor, als hätte sie schon lange auf die Begegnung mit ihm, ja, auf ihn gewartet. Deshalb hatte es sie auch nicht wirklich gewundert, dass diese einzigartige Beziehung mehr war als ein bloßes Dom-Sub Verhältnis. Der magische Anteil an ihm, das Spirituale ihrer Beziehung kam ihr seltsam normal vor. Es hatte sie sogar fast weniger gewundert als die eigenartige Sachlage, dass sie sich von ihm dominieren ließ, dass sie tatsächlich seine Anweisungen umsetzte, wirklich seine Befehle befolgte.
Sie blickt auf. Das Gefühl, gerade gar nicht über sich selber zu schreiben macht sich in ihr breit. Kann das denn wahr sein? Kann es möglich sein, dass jemand Aufforderungen einer Person umsetzt, die er nicht einmal gesehen hat; deren Stimme er nicht einmal kennt? Alice muss lachen. Natürlich konnte es wahr sein. Es konnte nicht nur, nein, es WAR. Es war ein ganz realer Fakt. Nicht jemand, sondern sie, Alice, führte aus, was Damian von ihr verlangte. Und das, obwohl viele Kilometer sie trennten. Irre. Total irre. Aber es gefiel ihr, soviel stand fest. Er war aber auch zu geschickt. Alice wendet sich wieder der Tastatur zu, denn sie will versuchen festzuhalten und zu erklären wie er es eigentlich genau angestellt hatte, sie nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
Eine seiner ersten Ansagen an sie war der sadistische Befehl zu warten gewesen. Alice hasste es zu warten. Geduld hatte noch nie zu ihren Stärken gehört. Aber in diesem speziellen Fall war es besonders misslich. Sie war wegen einer Frage an ihn ganz aufgeregt, hatte danach gefiebert, seine Antwort zu lesen. Und Damian hatte ihre hektische Neugierde schamlos dazu benutzt, ihr drängelndes Generve in mehr oder weniger geduldiges Abwarten zu verwandeln. Er hatte einfach verkündet, dass Alice seine Antwort erst dann erhalte, wenn sie ruhig und geduldig sei und nun erstmal ein paar Minuten warten würde. Süffisant grinsend (das hatte sie nicht sehen können, aber sie war dennoch sicher, dass es so war) hatte er hinzugefügt, dass es eine seiner Spezialitäten sei, Frauen zur Geduld zu erziehen. Als sie in der ersten Wartephase angefangen hatte zu maulen, hatte er einfach kurzerhand um einige Minuten verlängert. Mistkerl, elender! Wie gern hätte sie da gezetert und genölt oder ihn wenigstens mit stetiger Nachbohrerei weichgenervt. So saß sie da allein mit ihrem Ärger und musste den auch noch soweit im Zaum halten, dass er zumindest nicht vulkanartig aus ihr heraus brach und im Chat lesbar wurde. Doch was war ihr anderes übrig geblieben als einzulenken? Damain hätte sie mit Vergnügen noch eine Weile mit warten müssen gequält. Irgendwann wär's ihm zu bunt geworden und er hätte das Thema entweder zu den Akten gelegt oder den Chat verlassen; vielleicht auch beides. Wenn sie also Wert auf seine Antwort legte, und das tat sie, musste sie ihm Folge leisten. Also hatte sie versucht sich 'runterzufahren und möglichst widerspruchslos abzuwarten. So hatte sie dann ihre Antwort tatsächlich erhalten, obwohl sie ihm auch durchaus zugetraut hätte, das Thema mit sadistischer Freude trotzalledem noch zu verschieben.
Ein anderes Mal hatte Damian sie dazu gebracht, täglich ein paar Minuten auf Zehenspitzen zu laufen; etwas, was sie bis heute befolgte. Es war um Highheels gegangen, eine ganz offenkundige Vorliebe Damians, welche Alice aber nicht geteilt hatte. Sie war nicht besonders wild darauf sich die Knochen zu brechen, nur um ein paar Zentimeter größer durch die Welt zu staksen. Außerdem knickte sie auch in flachen Schuhen laufend aus heiterem Himmel um. Mit dieser Info hatte sie das Thema als erledigt betrachtet. Sie. Er nicht. Damian war der Ansicht, dass dieses Problem behebbar sei und hatte angekündigt, dass er sie bei einem realen Treffen in jedem Falle so aufknüpfen würde, dass Alice auf Zehenspitzen würde stehen müssen. Also sei ab sofort tägliches Training für sie angesagt, welches sie auch besser durchführen würde. Denn, er würde sich vorführen lassen, wie gut und wie lange sie auf den Fußspitzen herumtippeln könne und das Ergebnis solle dann besser zu seiner Zufriedenheit ausfallen.
Alles andere wäre sehr ungünstig für sie. Obwohl zu dieser Zeit gar kein reales Treffen geplant war, ja, nicht einmal feststand, dass es je eines geben würde, war Damian ihr sehr überzeugend vorgekommen. Sie konnte nicht ausschließen ihn eines Tages wirklich zu treffen und sie war sich sicher, dass er das, was er soeben angekündigt hatte dann auch in die Tat umsetzen würde.
Was hatte er denn da eigentlich genau angekündigt? Bisher waren es nur vage Warnungen gewesen, nicht mal Drohungen. Was für eine perfide Methode! Er überließ es ihrem überaktiven Hirn, sich in bedrohlich grellen Farben auszumalen, was geschehen würde, wenn sie sich seiner Anweisung aufsässig widersetzte. Und er selber würde sich in jedem Falle platzieren wie Persil am Himmel, schließlich hatte er sie ja gewarnt. Sie konnte seine sarkastische Argumentation schon fast hören.
Außerdem hatte sie das starke Gefühl, dass er bei Gelegenheit ohnehin nachfragen würde, ob sie seine Anweisung befolgte und garantiert merken würde, wenn sie ihm dann nicht die Wahrheit sagte. Alice war der festen Überzeugung, dass er auch auf die Entfernung Mittel und Wege finden würde sie zu strafen. Also hatte Alice angefangen das Zehenspitzenlaufen zu trainieren. Nachdem sie nun ohnehin tat, was er verlangt hatte, war sie auch ziemlich neugierig welche Erfolge das bringen würde und hatte nach einiger Zeit beim Shopping ein paar Highheels anprobiert. Es war nicht zu fassen, da hatte dieser Schuft doch wieder einmal Recht behalten! Erstaunlich problemlos war sie durch den Laden stolziert, worüber sie sich so sehr gefreut hatte, dass sie die Schuhe kurzerhand kaufte.
Einmal hatte Damian sie gezwungen, ihr Profil mit einem eigens dafür ausgesuchten Bild zu verunstalten. Es zeigte ein scheußliches Huhn mit Kochlöffel in der geflügelten Hand. Oft nannte er sie Huhn oder Suppenhuhn und Schläge mit dem Kochlöffel hatte er ihr ebenfalls schon einige Male "versprochen" und sich darüber amüsiert, dass Alice versucht hatte ihm dieses unerotische Schlaginstrument auszureden- erfolglos übrigens. Er hatte sogar geplant dieses verdammte Teil mit ihr gemeinsam einzukaufen. Sie würde sich in Grund und Boden schämen, wenn er das wahr machte. Garantiert würde man ihnen ansehen, was da angedacht war. Warum sonst sollten ein Mann und eine Frau gemeinsam einen einzelnen Kochlöffel kaufen? Sie hoffte sehr, dass dieser Kelch an ihr vorüberging.
Klar war, dass seine Dominanz, seine Art BDSM zu zelebrieren in ihr eine starke Resonanz erzeugten.
Alice Blick fällt auf die Uhr. Mist! Klar war auch, dass sie nun keine Zeit mehr hatte. Hektisch speichert sie das Geschriebene und beendet für heute.
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Feuerfels (3)
corona, 16:04h
Alice startet nachdenklich ihren Rechner. Wie beschreibt man einen Mann, der derart facettenreich und vielschichtig war? Wie fasst man ein Leben zusammen, ohne gleich ein ganzes Buch mit Lettern, Sätzen, Fakten, Geschichten und Erlebnissen zu füllen? Zögernd beginnt sie zu tippen.
Damian war in eine Unternehmerfamilie geboren worden. Seine Mutter war Französin, weshalb Damian zweisprachig aufwuchs und viel Zeit in Frankreich verbrachte. Große Teile seiner Familie lebten den jüdischen Glauben. Damian war jedoch, wie er selber sagte, weitestgehend religionsfrei groß geworden und offenbar war ihm weder die jüdische noch irgendeine andere Religion übergestülpt worden. Dennoch schien er sich im Hinblick auf die verschiedensten Weltanschauungen ziemlich gut auszukennen, ganz offenbar kannte er auch deren geschichtliche sowie politische Hintergründe und sonstigen Zusammenhänge, die Alice zwar interessant fand, solange Damian darüber referierte, sich aber kaum ansatzweise merken konnte. Jedoch fühlte er sich zu keiner Religion hingezogen, im Gegenteil, er stand ihnen nicht nur kritisch gegenüber, er verabscheute sie sogar.
Schon früh hatte Damian seine Leidenschaft für den Sport entdeckt. Die Liebe zu Pferden und zum Reiten hatte er, wie er sagte, von seinem Vater, aber auch sonst brauchte er die Bewegung offenbar wie die Luft zum atmen. Das war bis heute so. Er war Sportler, durch und durch. Körperbeherrschung war Passion für ihn. Er hatte ihr erzählt, dass er lange aktiv Karate als Leistungssport betrieben hatte. Als es soweit war eine Berufswahl zu treffen, hatte er sich schwer getan zu entscheiden. Bestimmt hätte ihm eine sportliche Karriere ebenso offen gestanden, wie die Möglichkeit, in das Unternehmen seines Vaters einzusteigen. Doch Damian hatte sich nach langem Überlegen für ein Psychologiestudium entschieden. Danach hatte es ihn in die Werbebranche verschlagen.
Inzwischen war er vielbeschäftigter Besitzer zweier Werbeagenturen und arbeitete oft von morgens bis nachts. Er liebte ganz offenkundig die kreativen Anteile seines Berufes und hatte, obwohl er immer die gigantische Oberflächlichkeit der Branche mokierte, großen Spaß an seiner Arbeit. Alice vermutete, dass das ein Grund mit dafür war, dass Damians Arbeits-Erholungsbilanz häufig sehr unausgewogen ausfiel. Natürlich hatte er auch einfach eine große Verantwortung und immer viel zu tun, aber, er hatte ihr auch mal gesagt, dass er das Gefühl, sich an der Grenze zu bewegen brauche und dass ihm das intensive Arbeiten zudem durchdringende Lebendigkeit vermittelte.
Damian schätzte die schönen Künste, liebte Musik und Malerei und scheinbar vielerlei Arten von Kreativität. Alice freute sich sehr darüber, einmal von ihm gelesen zu haben, dass er ihre Texte ebenfalls liebte. Er musizierte und komponierte selbst, auch wenn er dazu wohl nur sehr selten Zeit fand. Außerdem schrieb er satirische Texte und hatte sich irgendwann einmal auch politisch-satirisch auf Bühnen bewegt.
Alice wusste nicht mehr genau, wer von ihnen beiden sich mehr geziert hatte, dem jeweils anderen ein vollständiges Foto zu zeigen, doch nachdem sie schließlich ein paar Momentaufnahmen von Damian gesehen hatte, hatte sie ihren ersten Eindruck bestätigt gefunden. Das prägnanteste an ihm waren für Alice ganz klar seine dunklen Augen, die auf einem Bild auch einen Stich ins grüne aufwiesen, der Blick so wach und gleichzeitig tiefgründig, amüsiert humorvoll genauso wie ernst, besonnen und leidenschaftlich spontan gleichermaßen, gelassen und zurückgelehnt nur so lange bis er zum plötzlichen Sprung ansetzen wollte. Er war groß und durchtrainiert. Hin und wieder verglich sie ihn mit einem Panther, denn er machte einen kraftvoll geschmeidigen Eindruck auf Alice. Damians Gesicht war insgesamt markant und ausdrucksstark. Die Mundpartie wirkte leicht arrogant, was aber durch gleichzeitig erkennbare Freundlichkeit abgemildert wurde. Sein innerer Facettenreichtum spiegelte sich auch in seinem Äußeren wieder und Alice vermutete, dass er daran gewöhnt war Blicke auf sich zu ziehen.
Vor einigen Jahren war er bereits einmal verheiratet gewesen, und mit seiner Exfrau verbanden ihn, neben der Zeit, während der sie miteinander ge- und erlebt hatten, zwei außergewöhnlich hübsche, mittlerweile pubertierende Töchter. Alice las es gern, wenn er von ihnen sprach, sie mochte den fürsorglichen, von Liebe angefüllten Unterton sehr. Seine Kinder hatten einen ganz besonderen Stellenwert für ihn und gemeinsam mit Lilia, Damians gerade frisch gebackener, feenhaft schöner Ehefrau, würden sie sich bald zweier kleiner Geschwister erfreuen.
Alice mochte Lilia sehr, obwohl sie Lilia noch nie gesehen hatte. Auch die beiden Frauen chatteten regelmäßig miteinander und hatten schon einige Male zusammen telefoniert. Lilias offene, forsche und etwas übermütige Art gefiel Alice und sie spürte eine zunehmende Verbundenheit und einen gewissen seelischen Gleichklang zu der sensiblen und feinfühligen Lilia.
Damian hatte seine Beziehung zu Lilia nach einigen Jahren schließlich besiegeln wollen, denn obwohl die beiden im Grunde auch vorher schon ein Paar waren, hatten sie doch erst spät den offiziellen Beschluss gefasst, von nun an zu zweit durchs Leben zu gehen und das bisherige Miteinander, welches durch starke Freiheitlichkeit geprägt war gegen mehr Verbindlichkeit einzutauschen. Von Anfang an hatten die beiden sich zueinander hingezogen und auch bald nah und verbunden gefühlt. Mittlerweile war Lilia zu Damian gezogen und bald darauf schwanger geworden. Inzwischen hatten sie ihre Beziehung durch eine Hochzeit gekrönt. Alices Ansicht nach, passten Damian und Lilia ganz hervorragend zusammen und sie freute sich mit ihnen über die märchenhafte Entwicklung ihrer Beziehung.
Alice hört auf zu tippen. Sie glaubt, nun ein doch recht rundes Bild von Damian gezeichnet zu haben, und auch wenn es sicherlich noch jede Menge erwähnenswerte Details gab, beschließt sie, sich im nächsten Blogeintrag einem anderen ausgesuchten Thema zuzuwenden: Ihrem gemeinsamen BDSM.
Damian war in eine Unternehmerfamilie geboren worden. Seine Mutter war Französin, weshalb Damian zweisprachig aufwuchs und viel Zeit in Frankreich verbrachte. Große Teile seiner Familie lebten den jüdischen Glauben. Damian war jedoch, wie er selber sagte, weitestgehend religionsfrei groß geworden und offenbar war ihm weder die jüdische noch irgendeine andere Religion übergestülpt worden. Dennoch schien er sich im Hinblick auf die verschiedensten Weltanschauungen ziemlich gut auszukennen, ganz offenbar kannte er auch deren geschichtliche sowie politische Hintergründe und sonstigen Zusammenhänge, die Alice zwar interessant fand, solange Damian darüber referierte, sich aber kaum ansatzweise merken konnte. Jedoch fühlte er sich zu keiner Religion hingezogen, im Gegenteil, er stand ihnen nicht nur kritisch gegenüber, er verabscheute sie sogar.
Schon früh hatte Damian seine Leidenschaft für den Sport entdeckt. Die Liebe zu Pferden und zum Reiten hatte er, wie er sagte, von seinem Vater, aber auch sonst brauchte er die Bewegung offenbar wie die Luft zum atmen. Das war bis heute so. Er war Sportler, durch und durch. Körperbeherrschung war Passion für ihn. Er hatte ihr erzählt, dass er lange aktiv Karate als Leistungssport betrieben hatte. Als es soweit war eine Berufswahl zu treffen, hatte er sich schwer getan zu entscheiden. Bestimmt hätte ihm eine sportliche Karriere ebenso offen gestanden, wie die Möglichkeit, in das Unternehmen seines Vaters einzusteigen. Doch Damian hatte sich nach langem Überlegen für ein Psychologiestudium entschieden. Danach hatte es ihn in die Werbebranche verschlagen.
Inzwischen war er vielbeschäftigter Besitzer zweier Werbeagenturen und arbeitete oft von morgens bis nachts. Er liebte ganz offenkundig die kreativen Anteile seines Berufes und hatte, obwohl er immer die gigantische Oberflächlichkeit der Branche mokierte, großen Spaß an seiner Arbeit. Alice vermutete, dass das ein Grund mit dafür war, dass Damians Arbeits-Erholungsbilanz häufig sehr unausgewogen ausfiel. Natürlich hatte er auch einfach eine große Verantwortung und immer viel zu tun, aber, er hatte ihr auch mal gesagt, dass er das Gefühl, sich an der Grenze zu bewegen brauche und dass ihm das intensive Arbeiten zudem durchdringende Lebendigkeit vermittelte.
Damian schätzte die schönen Künste, liebte Musik und Malerei und scheinbar vielerlei Arten von Kreativität. Alice freute sich sehr darüber, einmal von ihm gelesen zu haben, dass er ihre Texte ebenfalls liebte. Er musizierte und komponierte selbst, auch wenn er dazu wohl nur sehr selten Zeit fand. Außerdem schrieb er satirische Texte und hatte sich irgendwann einmal auch politisch-satirisch auf Bühnen bewegt.
Alice wusste nicht mehr genau, wer von ihnen beiden sich mehr geziert hatte, dem jeweils anderen ein vollständiges Foto zu zeigen, doch nachdem sie schließlich ein paar Momentaufnahmen von Damian gesehen hatte, hatte sie ihren ersten Eindruck bestätigt gefunden. Das prägnanteste an ihm waren für Alice ganz klar seine dunklen Augen, die auf einem Bild auch einen Stich ins grüne aufwiesen, der Blick so wach und gleichzeitig tiefgründig, amüsiert humorvoll genauso wie ernst, besonnen und leidenschaftlich spontan gleichermaßen, gelassen und zurückgelehnt nur so lange bis er zum plötzlichen Sprung ansetzen wollte. Er war groß und durchtrainiert. Hin und wieder verglich sie ihn mit einem Panther, denn er machte einen kraftvoll geschmeidigen Eindruck auf Alice. Damians Gesicht war insgesamt markant und ausdrucksstark. Die Mundpartie wirkte leicht arrogant, was aber durch gleichzeitig erkennbare Freundlichkeit abgemildert wurde. Sein innerer Facettenreichtum spiegelte sich auch in seinem Äußeren wieder und Alice vermutete, dass er daran gewöhnt war Blicke auf sich zu ziehen.
Vor einigen Jahren war er bereits einmal verheiratet gewesen, und mit seiner Exfrau verbanden ihn, neben der Zeit, während der sie miteinander ge- und erlebt hatten, zwei außergewöhnlich hübsche, mittlerweile pubertierende Töchter. Alice las es gern, wenn er von ihnen sprach, sie mochte den fürsorglichen, von Liebe angefüllten Unterton sehr. Seine Kinder hatten einen ganz besonderen Stellenwert für ihn und gemeinsam mit Lilia, Damians gerade frisch gebackener, feenhaft schöner Ehefrau, würden sie sich bald zweier kleiner Geschwister erfreuen.
Alice mochte Lilia sehr, obwohl sie Lilia noch nie gesehen hatte. Auch die beiden Frauen chatteten regelmäßig miteinander und hatten schon einige Male zusammen telefoniert. Lilias offene, forsche und etwas übermütige Art gefiel Alice und sie spürte eine zunehmende Verbundenheit und einen gewissen seelischen Gleichklang zu der sensiblen und feinfühligen Lilia.
Damian hatte seine Beziehung zu Lilia nach einigen Jahren schließlich besiegeln wollen, denn obwohl die beiden im Grunde auch vorher schon ein Paar waren, hatten sie doch erst spät den offiziellen Beschluss gefasst, von nun an zu zweit durchs Leben zu gehen und das bisherige Miteinander, welches durch starke Freiheitlichkeit geprägt war gegen mehr Verbindlichkeit einzutauschen. Von Anfang an hatten die beiden sich zueinander hingezogen und auch bald nah und verbunden gefühlt. Mittlerweile war Lilia zu Damian gezogen und bald darauf schwanger geworden. Inzwischen hatten sie ihre Beziehung durch eine Hochzeit gekrönt. Alices Ansicht nach, passten Damian und Lilia ganz hervorragend zusammen und sie freute sich mit ihnen über die märchenhafte Entwicklung ihrer Beziehung.
Alice hört auf zu tippen. Sie glaubt, nun ein doch recht rundes Bild von Damian gezeichnet zu haben, und auch wenn es sicherlich noch jede Menge erwähnenswerte Details gab, beschließt sie, sich im nächsten Blogeintrag einem anderen ausgesuchten Thema zuzuwenden: Ihrem gemeinsamen BDSM.
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