Donnerstag, 5. September 2013
Rabendunkel (11)
corona, 11:26h
Fast hektisch beginnt Alice heute das Schreiben. Sie hofft sehr, nichts vergessen zu haben. Ein faszinierender Chat! Damian hatte wider Erwarten doch noch einmal das Helferthema angesprochen. Helfer, die ihn und sie und überhaupt alle Menschen auf ihrer Reise durch das Leben begleiten, schützen und unterstützen.
Ursprünglich hatte er ihren drängenden Nachfragen nicht nachgeben wollen, aber sich dann ganz offensichtlich doch umentschieden. "Es sollte heute sein." Das waren seine Worte, gegen Ende des Chats und mussten ihr vorerst als Erklärung genügen. Begonnen hatte er mit einem spannenden Vortrag, den er, wie so oft, mit einem viel versprechenden "Pass auf." eingeleitet hatte. Irgendwie war an Damian doch ein Professor verloren gegangen. Alice lächelt während sie tippt.
"Es gibt verschiedene Helfer an deiner, an unser aller Seite. Zunächst mal ist da dein Engel. Er/Sie ist in Kontakt mit deinem Unterbewussten und greift nur in absoluten Ausnahmefällen in dein Bewusstsein ein. Engel sind die Helfer, die unegoistisch handeln und sie sind daran interessiert, dass die Menschen mit ihnen kooperieren." Alice war natürlich sehr neugierig und hatte ein paar erste Fragen zu seinem und zu ihrem Engel und zu Engeln im Allgemeinen gestellt. Damian wollte aber offensichtlich auf etwas anderes hinaus, das merkte sie überdeutlich an seinen nur knappen Antworten. Na schön, sie hatte die Engel also vorübergehend zur Seite geschoben und weiter mitgelesen.
Alice stoppt kurz das Schreiben und fragt sich, wieso ihr das alles eigentlich nicht viel unwirklicher und unglaublicher erscheint. Vermutlich, weil es stimmte. Sie hatte bisher kein einziges Mal das Gefühl gehabt, mit Damian einen irrsinnig überspannten Exzentriker mit Hang zur Esoterik vor sich zu haben, der sie nur für seine mehr oder weniger dogmatischen Lehren gewinnen wollte. Im Gegenteil. Seine Ausführungen schienen ihr folgerichtig, und die Selbstverständlichkeit mit der er beschreibende und erklärende Worte fand, traf auf ihre Gewissheit, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gab, die sich den gängigen Erklärungsansätzen entzogen. Auf ihre Gewissheit und ihr Vertrauen, dass es so schon richtig war. Sie tippt weiter.
Damian hatte ihr weiterhin erklärt, dass es noch andere Wesenheiten gab, oft deutlich weniger uneigennützig als die Engel.
Auch Ahnen konnten die Helferrolle übernehmen. Alice hätte vor Wissbegier in die Tastatur beißen können. Welche Oma, welcher Uropa begleitete sie wohl? Und was hatte der- oder diejenige schon alles angestellt um sie zu unterstützen? Welches Ziel verfolgte er oder sie? Hatte sie davon vielleicht sogar schon mal etwas bemerkt? Würde sie sich daran erinnern? Doch auch das war nicht das Thema, welches Damian für den gestrigen Chat vorgesehen hatte.
Erneut hatte sie sich gezwungen ihre Fragen zurückzustellen und sich wieder in den Gesprächsverlauf hineingleiten lassen, den Damian im Sinn gehabt hatte. Weder Engel noch Ahnen waren heute dran. Stattdessen wollte Damian auf etwas hinaus, dass er ihr Krafttier nannte. Das sagte ihr leider so rein gar nichts und er verdeutlichte ihr, dass manche Wesenheiten Begleiter in symbolischer Gestalt eines Tieres waren, welches mit seinen besonderen Eigenschaften den individuellen Lebensweg unterstützen konnte. Er bot ihr an, sie zu einer so genannten Krafttierreise anzuleiten oder alternativ selbst hineinzusehen. Etwas klopfe ohnehin bei ihm an und wolle angesehen werden.
Wow! Wow, wow, wow! Die freudige Aufregung, die in ihr aufgeschäumt war, macht sich während des Schreibens wieder in ihr breit. Sie hatte sich nicht entscheiden können. Klar wollte sie das gerne selber erleben, eine solche Reise unternehmen und sehen was da geschieht. Doch das würde, so wie Damian ihr sagte, Zeit, Ruhe und Konzentration erfordern. Zeit und Ruhe waren leider rar und außerdem würde sie dann noch auf die passende Gelegenheit warten müssen.
Sollte er also reinsehen? Ja, das wär toll, denn er wusste wie es geht und würde ganz sicher das Wesentliche erkennen. Überschaute sie denn schon so genau, ob sie sich nicht vielleicht in ihrem Inneren verlaufen würde, wenn sie es allein versuchte? Oder ob ihr Tier sich ihr überhaupt zeigen, ihr etwas verraten würde?
Und dennoch zögerte sie, Damian zu bitten es für sie zu tun. Seine Fähigkeiten für sich in Anspruch zu nehmen fiel ihr nicht sehr leicht, selbst wenn er es von sich aus angeboten hatte. Sie wusste ja, dass er diese magischen Themen am liebsten ausschließlich mit sich allein ausmachte und nur sehr ungern darüber sprach. Umso dankbarer war sie, dass er sie dennoch immer wieder teilhaben ließ, ihr erklärte und sie irgendwie auch an die Hand genommen hatte und führte.
Sie fühlte sich sicher da an seiner Hand, sicher und gut aufgehoben. Manchmal ließ er sie rennen, vorpreschen und blieb an ihrer Seite, manchmal hielt er sie zurück, bremste sie oder führte sie an Versuchungen vorbei, die ihr vermutlich nichts Gutes gebracht hätten, wäre sie ihnen erlegen. Manchmal zog er sie auch hinter sich her und sorgte für Beschleunigung und Tempo. Aber meistens war er einfach in ihrem Tempo neben ihr und gab ihr Halt und Vertrauen. Was für eine unglaubliche und doch so erwartete Begegnung...
"So, ich seh jetzt nach. Ich gehe jetzt in Trance und bin in zehn Minuten wieder hier." Mit dieser Entscheidung riss Damian Alice aus ihren sinnierenden Gedanken und verschwand vom Bildschirm. Ihre Aufregung wechselte sich mit ihrer Begeisterung und ihrer Ungeduld ab, um schließlich in Vorfreude umzuschlagen und sie an den Laptop zu fesseln.
Zum Glück war er schnell wieder da und begann auch sofort ihr von dem Raben zu erzählen, der ihm begegnet war. Ein Rabe also? Ein Totenvogel? Na wunderbar. Schon wollte die Angst, von der sie sich kürzlich erst verabschiedet hatte, wieder ihren angestammten Platz einnehmen. Doch Alice schubste sie weg. Sie brauchte Platz für das Neue, was bald kommen würde. Als hätte er's mal wieder geahnt fragte Damian nach. Vielleicht tat er das auch immer an dieser Stelle, wenn er in eine solche Krafttierbegegnung involviert war. Was verbindet man mit dem Tier, das einen begleiten und weiterbringen wollte? Was genau verband sie damit?
Na, an erster Stelle diese wohl anerzogene Angst vor einem Symbol des Todes, einem vermeintlich schlechten Omen. Aber auch wunderschönes glänzend schwarzes Gefieder und die Tatsache, dass Raben als Gefährten von Kindern vorkamen, sowohl in Geschichten als auch in der Realität. Ebenso begleiteten sie Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Alles in Allem war der Rabe also vielleicht doch ein spannendes Tier. Das, was Damian dann noch dazu zu sagen hatte zementierte diesen Eindruck:
Der Rabe, der sich Damian gezeigt hatte, trug ein blaues Energieband und einen Fisch mit sich. Das Band ist mit Noten und/oder Buchstaben beschriftet. Ihr Rabe steht für Intuition und Kreativität, Eigenschaften, die auch Alice innewohnen und er kann ihr helfen zu lernen, diese Eigenschaften stärker zu leben und zu nutzen und mit den damit verbundenen Erfolgen, den Früchten dieser Fähigkeiten umzugehen. Faszinierend!
Alice hatte zweierlei Assoziationen: Zum einen erinnerte sie dieser gestrige Chat sehr deutlich an den Verlauf einer Geburt. Ja, manchmal war das Chatten mit Damian genau so, wie ein Kind zu gebären. Man fand zusammen in dem Gefühl dass demnächst etwas Angekündigtes, etwas Großes passieren würde, dass etwas Neues seinen Weg von anderswo in die hiesige Welt finden würde. Man traf alle Vorbereitungen dafür und erwartete es bis es sich schließlich durch die Gespräche wie durch einen Geburtskanal hindurchgewunden hatte, manchmal stieß man es ein bisschen von außen an, oder zog, um ihm auf den Weg zu helfen. Und dann bestaunte und begrüßte man es gemeinsam und freute sich auf all die Erlebnisse und Veränderungen die es im Gepäck hatte.
Zum anderen kam es ihr vor, als haben viele kleine Dinge schon auf die Begegnung mit ihrem Raben und seinen Anliegen hingedeutet und sie vorbereitet. Die Auseinandersetzung mit sich selber, ihrer hiesigen, irdischen Persönlichkeit, ihren ureigenen Schwächen und Schatten, ihrer Angst, die Entscheidung, die Angst nun endlich soweit loszulassen, dass sie nicht mehr blockieren, nicht mehr hindern kann, die Arbeit daran, sich vollständiger als das zu akzeptieren, was sie wirklich ist, in ihrem tiefsten Inneren, sich mit sich selber auszusöhnen und stärker anzufreunden, Energien in sich zu finden und diese sich selbst und auch anderen zur Verfügung zu stellen... Da sie darüber nachdachte fielen ihr unzählige Situationen ein in denen der aktuelle Moment vorbereitet worden war, unzählige manchmal sehr klein, aber niemals unwichtig erscheinende Begebenheiten, die alle mit diesem Augenblick verbunden waren.
Damian hatte ihr einen Text über die Botschaft des Raben gesendet. Dort hieß es unter anderem:
In dir steckt eine starke Magie. Du besitzt heilende und hellseherische Gaben. Du hast sie noch nicht vollständig erkennen können, weil du die Vergangenheit noch nicht von dir gelöst hast. Du hängst in deiner geistig-spirituellen Entwicklung fest, die jetzt immer mehr zum Vorschein kommt. Lasse die Träume, die Gedanken und die Gefühle in dir zu, sie geben dir Botschaften und Hinweise. Erkenne deine jetzige Situation und sehe die Zukunft nicht durch ein schwarzes Tuch vor dir. Öffne den Vorhang in dir, der dich das "sehen" lässt, was anderen verborgen bleibt. Nimm dich an, so, wie Du bist und versuche nicht etwas zu verdrängen, aus angst im Abseits zu stehen. Du bist deine eigene innewohnende Kraft, die dich antreibt, aber nur, wenn du deine Ängste beiseite schiebst. Setze deine Kräfte zum Wohle aller ein, denn sie können ein Bumerang sein und zu dir zurückkehren. Missbrauche deine Energie nicht, um anderen zu schaden. Der Rabe sagt dir, dass Du Geheimnisse besser hüten sollst. Der Rabe, als der Hüter des Geheimnisvollen, möchte, dass Du dich deiner eigenen Geheimnisse besinnst, aber auch offen dafür bist, wenn Du in dir selbst das Geheimnisvolle entdeckst. Solltest Du deine Magie missbrauchen oder respektlos einsetzen, so werden die Hüter der Geheimnisse dich bis in deine Träume verfolgen.
Ja, sie fühlte sich deutlich angesprochen von diesen Zeilen. Über eines war sie beim Lesen allerdings gestolpert. Sie solle Geheimnisse besser hüten. Was das wohl bedeutete? Sie hielt sich eigentlich nicht für besonders schwatzhaft und Dinge, die ihr im Vertrauen erzählt wurden, waren bei ihr gut aufgehoben. Aber vielleicht ging es auch vor allem um ihre eigenen Geheimnisse. Im Grunde war diese beispiellose und märchenhafte Chatbeziehung ein einziges großes Geheimnis. Nur sehr wenig davon durfte sie nach Außen dringen lassen. Und das auch nur punktuell, herausgerissen aus dem großem Ganzen.
Irgendwann, in einem der unzähligen früheren Chats, hatte Damian einmal so etwas gesagt wie, dass sie nun so weit wäre, dass sie dieser besonderen Verantwortung des zusätzlichen Wissens und der zusätzlichen Freiheiten gewachsen sei. Sie hoffte sehr, dass er damit Recht hatte. Nachdenklich beendet sie ihr Schreiben und geht schlafen.
Ursprünglich hatte er ihren drängenden Nachfragen nicht nachgeben wollen, aber sich dann ganz offensichtlich doch umentschieden. "Es sollte heute sein." Das waren seine Worte, gegen Ende des Chats und mussten ihr vorerst als Erklärung genügen. Begonnen hatte er mit einem spannenden Vortrag, den er, wie so oft, mit einem viel versprechenden "Pass auf." eingeleitet hatte. Irgendwie war an Damian doch ein Professor verloren gegangen. Alice lächelt während sie tippt.
"Es gibt verschiedene Helfer an deiner, an unser aller Seite. Zunächst mal ist da dein Engel. Er/Sie ist in Kontakt mit deinem Unterbewussten und greift nur in absoluten Ausnahmefällen in dein Bewusstsein ein. Engel sind die Helfer, die unegoistisch handeln und sie sind daran interessiert, dass die Menschen mit ihnen kooperieren." Alice war natürlich sehr neugierig und hatte ein paar erste Fragen zu seinem und zu ihrem Engel und zu Engeln im Allgemeinen gestellt. Damian wollte aber offensichtlich auf etwas anderes hinaus, das merkte sie überdeutlich an seinen nur knappen Antworten. Na schön, sie hatte die Engel also vorübergehend zur Seite geschoben und weiter mitgelesen.
Alice stoppt kurz das Schreiben und fragt sich, wieso ihr das alles eigentlich nicht viel unwirklicher und unglaublicher erscheint. Vermutlich, weil es stimmte. Sie hatte bisher kein einziges Mal das Gefühl gehabt, mit Damian einen irrsinnig überspannten Exzentriker mit Hang zur Esoterik vor sich zu haben, der sie nur für seine mehr oder weniger dogmatischen Lehren gewinnen wollte. Im Gegenteil. Seine Ausführungen schienen ihr folgerichtig, und die Selbstverständlichkeit mit der er beschreibende und erklärende Worte fand, traf auf ihre Gewissheit, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gab, die sich den gängigen Erklärungsansätzen entzogen. Auf ihre Gewissheit und ihr Vertrauen, dass es so schon richtig war. Sie tippt weiter.
Damian hatte ihr weiterhin erklärt, dass es noch andere Wesenheiten gab, oft deutlich weniger uneigennützig als die Engel.
Auch Ahnen konnten die Helferrolle übernehmen. Alice hätte vor Wissbegier in die Tastatur beißen können. Welche Oma, welcher Uropa begleitete sie wohl? Und was hatte der- oder diejenige schon alles angestellt um sie zu unterstützen? Welches Ziel verfolgte er oder sie? Hatte sie davon vielleicht sogar schon mal etwas bemerkt? Würde sie sich daran erinnern? Doch auch das war nicht das Thema, welches Damian für den gestrigen Chat vorgesehen hatte.
Erneut hatte sie sich gezwungen ihre Fragen zurückzustellen und sich wieder in den Gesprächsverlauf hineingleiten lassen, den Damian im Sinn gehabt hatte. Weder Engel noch Ahnen waren heute dran. Stattdessen wollte Damian auf etwas hinaus, dass er ihr Krafttier nannte. Das sagte ihr leider so rein gar nichts und er verdeutlichte ihr, dass manche Wesenheiten Begleiter in symbolischer Gestalt eines Tieres waren, welches mit seinen besonderen Eigenschaften den individuellen Lebensweg unterstützen konnte. Er bot ihr an, sie zu einer so genannten Krafttierreise anzuleiten oder alternativ selbst hineinzusehen. Etwas klopfe ohnehin bei ihm an und wolle angesehen werden.
Wow! Wow, wow, wow! Die freudige Aufregung, die in ihr aufgeschäumt war, macht sich während des Schreibens wieder in ihr breit. Sie hatte sich nicht entscheiden können. Klar wollte sie das gerne selber erleben, eine solche Reise unternehmen und sehen was da geschieht. Doch das würde, so wie Damian ihr sagte, Zeit, Ruhe und Konzentration erfordern. Zeit und Ruhe waren leider rar und außerdem würde sie dann noch auf die passende Gelegenheit warten müssen.
Sollte er also reinsehen? Ja, das wär toll, denn er wusste wie es geht und würde ganz sicher das Wesentliche erkennen. Überschaute sie denn schon so genau, ob sie sich nicht vielleicht in ihrem Inneren verlaufen würde, wenn sie es allein versuchte? Oder ob ihr Tier sich ihr überhaupt zeigen, ihr etwas verraten würde?
Und dennoch zögerte sie, Damian zu bitten es für sie zu tun. Seine Fähigkeiten für sich in Anspruch zu nehmen fiel ihr nicht sehr leicht, selbst wenn er es von sich aus angeboten hatte. Sie wusste ja, dass er diese magischen Themen am liebsten ausschließlich mit sich allein ausmachte und nur sehr ungern darüber sprach. Umso dankbarer war sie, dass er sie dennoch immer wieder teilhaben ließ, ihr erklärte und sie irgendwie auch an die Hand genommen hatte und führte.
Sie fühlte sich sicher da an seiner Hand, sicher und gut aufgehoben. Manchmal ließ er sie rennen, vorpreschen und blieb an ihrer Seite, manchmal hielt er sie zurück, bremste sie oder führte sie an Versuchungen vorbei, die ihr vermutlich nichts Gutes gebracht hätten, wäre sie ihnen erlegen. Manchmal zog er sie auch hinter sich her und sorgte für Beschleunigung und Tempo. Aber meistens war er einfach in ihrem Tempo neben ihr und gab ihr Halt und Vertrauen. Was für eine unglaubliche und doch so erwartete Begegnung...
"So, ich seh jetzt nach. Ich gehe jetzt in Trance und bin in zehn Minuten wieder hier." Mit dieser Entscheidung riss Damian Alice aus ihren sinnierenden Gedanken und verschwand vom Bildschirm. Ihre Aufregung wechselte sich mit ihrer Begeisterung und ihrer Ungeduld ab, um schließlich in Vorfreude umzuschlagen und sie an den Laptop zu fesseln.
Zum Glück war er schnell wieder da und begann auch sofort ihr von dem Raben zu erzählen, der ihm begegnet war. Ein Rabe also? Ein Totenvogel? Na wunderbar. Schon wollte die Angst, von der sie sich kürzlich erst verabschiedet hatte, wieder ihren angestammten Platz einnehmen. Doch Alice schubste sie weg. Sie brauchte Platz für das Neue, was bald kommen würde. Als hätte er's mal wieder geahnt fragte Damian nach. Vielleicht tat er das auch immer an dieser Stelle, wenn er in eine solche Krafttierbegegnung involviert war. Was verbindet man mit dem Tier, das einen begleiten und weiterbringen wollte? Was genau verband sie damit?
Na, an erster Stelle diese wohl anerzogene Angst vor einem Symbol des Todes, einem vermeintlich schlechten Omen. Aber auch wunderschönes glänzend schwarzes Gefieder und die Tatsache, dass Raben als Gefährten von Kindern vorkamen, sowohl in Geschichten als auch in der Realität. Ebenso begleiteten sie Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Alles in Allem war der Rabe also vielleicht doch ein spannendes Tier. Das, was Damian dann noch dazu zu sagen hatte zementierte diesen Eindruck:
Der Rabe, der sich Damian gezeigt hatte, trug ein blaues Energieband und einen Fisch mit sich. Das Band ist mit Noten und/oder Buchstaben beschriftet. Ihr Rabe steht für Intuition und Kreativität, Eigenschaften, die auch Alice innewohnen und er kann ihr helfen zu lernen, diese Eigenschaften stärker zu leben und zu nutzen und mit den damit verbundenen Erfolgen, den Früchten dieser Fähigkeiten umzugehen. Faszinierend!
Alice hatte zweierlei Assoziationen: Zum einen erinnerte sie dieser gestrige Chat sehr deutlich an den Verlauf einer Geburt. Ja, manchmal war das Chatten mit Damian genau so, wie ein Kind zu gebären. Man fand zusammen in dem Gefühl dass demnächst etwas Angekündigtes, etwas Großes passieren würde, dass etwas Neues seinen Weg von anderswo in die hiesige Welt finden würde. Man traf alle Vorbereitungen dafür und erwartete es bis es sich schließlich durch die Gespräche wie durch einen Geburtskanal hindurchgewunden hatte, manchmal stieß man es ein bisschen von außen an, oder zog, um ihm auf den Weg zu helfen. Und dann bestaunte und begrüßte man es gemeinsam und freute sich auf all die Erlebnisse und Veränderungen die es im Gepäck hatte.
Zum anderen kam es ihr vor, als haben viele kleine Dinge schon auf die Begegnung mit ihrem Raben und seinen Anliegen hingedeutet und sie vorbereitet. Die Auseinandersetzung mit sich selber, ihrer hiesigen, irdischen Persönlichkeit, ihren ureigenen Schwächen und Schatten, ihrer Angst, die Entscheidung, die Angst nun endlich soweit loszulassen, dass sie nicht mehr blockieren, nicht mehr hindern kann, die Arbeit daran, sich vollständiger als das zu akzeptieren, was sie wirklich ist, in ihrem tiefsten Inneren, sich mit sich selber auszusöhnen und stärker anzufreunden, Energien in sich zu finden und diese sich selbst und auch anderen zur Verfügung zu stellen... Da sie darüber nachdachte fielen ihr unzählige Situationen ein in denen der aktuelle Moment vorbereitet worden war, unzählige manchmal sehr klein, aber niemals unwichtig erscheinende Begebenheiten, die alle mit diesem Augenblick verbunden waren.
Damian hatte ihr einen Text über die Botschaft des Raben gesendet. Dort hieß es unter anderem:
In dir steckt eine starke Magie. Du besitzt heilende und hellseherische Gaben. Du hast sie noch nicht vollständig erkennen können, weil du die Vergangenheit noch nicht von dir gelöst hast. Du hängst in deiner geistig-spirituellen Entwicklung fest, die jetzt immer mehr zum Vorschein kommt. Lasse die Träume, die Gedanken und die Gefühle in dir zu, sie geben dir Botschaften und Hinweise. Erkenne deine jetzige Situation und sehe die Zukunft nicht durch ein schwarzes Tuch vor dir. Öffne den Vorhang in dir, der dich das "sehen" lässt, was anderen verborgen bleibt. Nimm dich an, so, wie Du bist und versuche nicht etwas zu verdrängen, aus angst im Abseits zu stehen. Du bist deine eigene innewohnende Kraft, die dich antreibt, aber nur, wenn du deine Ängste beiseite schiebst. Setze deine Kräfte zum Wohle aller ein, denn sie können ein Bumerang sein und zu dir zurückkehren. Missbrauche deine Energie nicht, um anderen zu schaden. Der Rabe sagt dir, dass Du Geheimnisse besser hüten sollst. Der Rabe, als der Hüter des Geheimnisvollen, möchte, dass Du dich deiner eigenen Geheimnisse besinnst, aber auch offen dafür bist, wenn Du in dir selbst das Geheimnisvolle entdeckst. Solltest Du deine Magie missbrauchen oder respektlos einsetzen, so werden die Hüter der Geheimnisse dich bis in deine Träume verfolgen.
Ja, sie fühlte sich deutlich angesprochen von diesen Zeilen. Über eines war sie beim Lesen allerdings gestolpert. Sie solle Geheimnisse besser hüten. Was das wohl bedeutete? Sie hielt sich eigentlich nicht für besonders schwatzhaft und Dinge, die ihr im Vertrauen erzählt wurden, waren bei ihr gut aufgehoben. Aber vielleicht ging es auch vor allem um ihre eigenen Geheimnisse. Im Grunde war diese beispiellose und märchenhafte Chatbeziehung ein einziges großes Geheimnis. Nur sehr wenig davon durfte sie nach Außen dringen lassen. Und das auch nur punktuell, herausgerissen aus dem großem Ganzen.
Irgendwann, in einem der unzähligen früheren Chats, hatte Damian einmal so etwas gesagt wie, dass sie nun so weit wäre, dass sie dieser besonderen Verantwortung des zusätzlichen Wissens und der zusätzlichen Freiheiten gewachsen sei. Sie hoffte sehr, dass er damit Recht hatte. Nachdenklich beendet sie ihr Schreiben und geht schlafen.